Reinhold Mitterlehner Ehemaliger Vizekanzler, ÖVP

Die Politik spiegelt die Entwicklung in der breiten Gesellschaft wider. Dort wie da zeigt sich, dass im Netz durch die Anonymität viel an Hass entstanden ist und auch ausgelebt wird. Diese Entwicklung kann derzeit nicht kontrolliert werden. Das wirft die Frage auf, ob man dem durch Gesetze Herr werden kann. Auf EU-Ebene gibt es bereits Initiativen mit Strafen und Sanktionen. Mit dem Erfolg, dass Hasspostings im niedrig zweistelligen Bereich tatsächlich von den Seiten sozialer Medien gelöscht werden. Technisch und weil diese Verstöße in Echtzeit passieren, wird die Justiz hier immer hintennach sein. Sie kann daher vor allem ein Mittel gegen besonders gravierende Verstöße sein. Davon abgesehen rückt man mit Gesetzen sehr schnell in die Nähe der Zensur. Und die Freiheit der Meinungsäußerung ist uns seit der französischen Revolution ein hohes Gut.
Es geht also in Wahrheit um ein kulturelles Problem. Darauf sollten wir mit Bewusstseinsbildung reagieren. Kampagnen, wie jene in Deutschland, wo mit „Respekt“ gegen Rassismus im Fußball geworben wurde, können ein gangbares Mittel sein. Jeder soll mit anderen so umgehen, wie man es für sich selber möchte. Das muss die Botschaft sein. Die Chance, dass sie ankommt, ist gut, weil längst nicht nur Politiker von Diffamierungen im Netz betroffen sind, sondern es geht um ein Massenproblem. Und zum Zweiten muss jeder einzelne, der im Netz kommuniziert, seine eigene Prüfstruktur aufstellen, seinen Fakten-Check machen. Einfach gesagt: Man darf nicht alles glauben, was man liest.