Verformtes Glas statt Scherben

Forschergruppe entwickelte Glas, das sich bruchfrei verformen lässt.
ENTWICKLUNG Eine internationale Forschungsgruppe mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat ein Glasmaterial entwickelt, das sich bei Raumtemperatur bruchfrei verformen lässt. Das extrem harte und zugleich leichte Material verspricht ein großes Anwendungspotenzial. „Es war überraschend, dass Glas auch bei Raumtemperatur über eine so hohe Plastizität verfügen kann,“ sagt Megan Cordill, Ko-Autorin der Publikation und Materialwissenschaftlerin der ÖAW. „Gemeinsam mit unseren internationalen Kollegen konnten wir zeigen, dass sich Aluminiumoxid bei Raumtemperatur und hoher Dehnungsrate dauerhaft ohne Bruch verformen kann.“ Das bei den Experimenten entstandene Glasmaterial zeichnet sich dadurch aus, dass dessen Atome keine reguläre Ordnung haben, sondern zufällig gemischt werden und damit die hohe Verformbarkeit des Materials ermöglichen.
Äußerst spröde Angelegenheit
Glas ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Welt. In der Verwendung im Alltag handelt es sich meist um sauerstoffhaltiges Glas, wie es etwa für Fenster und Trinkgläser verwendet wird. Da derartiges Glas bei Raumtemperatur aber äußerst spröde ist und bekanntlich rasch bricht, sind die Einsatzmöglichkeiten in vielen Bereichen eingeschränkt.
Dass Glas bei Raumtemperatur aber wesentlich verformbarer sein kann als bisher angenommen, haben die Forscher nun experimentell und in Simulationen festgestellt. Den Durchbruch bei den Forschungsarbeiten, die an mehreren Standorten realisiert worden sind, lieferten spezielle Experimente mit Aluminiumoxid, einer Sauerstoffverbindung von Aluminium, die ein Bestandteil von herkömmlichem Glas ist. Indem die Wissenschafter diese Substanz extrem schnell abkühlten, konnten sie innen eine Kristallisation im Zuge der Glasherstellung verhindern und damit die Brüchigkeit des Materials drastisch reduzieren.
Hochgradig dehnbar
Durch anschließende Simulationen wurden die experimentellen Ergebnisse weiter analysiert. Dabei fanden die Forscher heraus, dass das neue Material sogar eine Gesamtdehnung von 100 Prozent erreichen kann, wenn es dicht und frei von Fehlern ist. Das bedeutet, dass die Länge – bevor das Material bricht – verdoppelt werden kann, wie verschiedene Versuche bestätigten. Das neu entwickelte Glas erwies sich sowohl als härter und zugleich leichter als Stahl. Dadurch eröffnen sich zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten.