Vielleicht bald Realität: Zellen auf Bestellung
Wäre es nicht praktisch, kaputtes menschliches Gewebe neu „züchten“ zu können?
Zukunft. (hag) Ein Traum der Medizin scheint Wirklichkeit zu werden: eine beliebige „alte“ Körperzelle kann in eine „neue“ pluripotente Stammzelle rückverwandelt werden. Pluripotent bedeutet, dass aus dieser Zelle praktisch jede beliebige Körperzelle entwickelt werden kann. Noch zu Beginn des Jahrtausends hätte niemand vermutet, dass so etwas einmal möglich sein würde. Krankheiten wie Parkinson, Multiple Sklerose und Diabetes oder Leberleiden, Herzinfarkte und Gelenkprobleme, bei denen Medikamente und Operationen nicht mehr helfen, könnten dann behandelbar werden.
Lieferanten von Ersatzgewebe
Überall dort, wo Zellen verschleißen, degenerieren und sterben, könnten diese sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) Ersatzgewebe liefern. Zwar ist eine medizinische Anwendung noch lange nicht in Sicht, doch die Grundlagen sind gelegt. Noch vor wenigen Jahren glaubte man, eine einmal ausdifferenzierte Zelle könne nicht mehr in eine andere Richtung gelenkt werden. Bisher konnten Stammzellen nur aus Embryonen oder Nabelschnurblut gewonnen werden, was ethisch umstritten ist und das Problem der Immunabstoßung birgt.
Bereits 1962 konnte der Brite John B. Gurdon anhand von Froscheiern zeigen, dass die Ausdifferenzierung von ausgereiften Zellen später wieder rückgängig gemacht werden kann. In seinem Experiment ersetzte er unreife Zellkerne aus Frosch-Eizellen durch ausgereifte Kerne aus Frosch-Darmzellen. Erstaunlicherweise hatte der Erbgut-Tausch keine Folgen für die weitere Entwicklung der Frosch-Embryonen. Aus den präparierten Eizellen entwickelten sich normale, lebensfähige Kaulquappen. Gurdon schloss daraus, dass das Zellplasma (Grundsubstanz einer Zelle) der Eizellen bestimmte Faktoren enthalten müsse, die aus dem ausdifferenzierten Erbgut wieder ein undifferenziertes machten. Es dauerte allerdings viele Jahre, bis diese bestimmt werden konnten.
Dem Japaner Shinya Yamanaka ist genau dies gelungen: Aus einer Vielzahl von Zytoplasma-Proteinen fischte er genau diejenigen heraus, die das Erbgut in Richtung Stammzelle umprogrammieren. Für diese Leistungen erhielten die beiden Wissenschafter den Nobelpreis für Medizin zuerkannt.
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