Eine höchst unnötige Quälerei

Endometriose wird als Krankheit nach wie vor nicht wirklich ernst-genommen.
Feldkirch. (VN-mm) Operation gelungen. Prognose gut. Sandra Lehmann ist ihre quälenden Schmerzen im Unterbauch los. Für wie lange kann jedoch niemand sagen. Nicht einmal ihr behandelnder Arzt, Primar Dr. Stefan Rimbach. Denn Endometriose hat die unangenehme Eigenschaft, immer wieder zu kommen. Für diesmal ist der Leiter der Gynäkologie und Geburtshilfe im LKH Feldkirch aber zuversichtlich. „Wir konnten die versprengte Gebärmutterschleimhaut vollständig entfernen“, erklärt Rimbach. Für seine 28-jährige Patientin sind das gute Nachrichten.
Hohe Betroffenheit
Bei Endometriose kommt es zur Ansiedlung von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter. Aufgrund ihrer veränderten Struktur kann sie an anderen Organen festwachsen und deren Funktion beeinträchtigen. Durch Hormonschwankungen im Rahmen des Monatszyklus entstehen Entzündungsreize, die in der Folge starke Schmerzen verursachen. „Je nachdem, wo sich die Endometrioseherde befinden, können die Schmerzen auch in den Rücken und in die Beine ausstrahlen“, so Primar Stefan Rimbach. Auf jeden Fall sind Frauen mit dieser Erkrankung stark beeinträchtigt. „Sie fallen aufgrund der Schmerzen regelmäßig bei der Arbeit aus und auch das Zusammenleben mit dem Partner ist durch Beschwerden beim Geschlechtsverkehr belastet“, listet der Arzt alltägliche Widrigkeiten auf.
Langer Leidensweg
Ebenfalls enorm ist das Ausmaß der Betroffenheit. Rund 10 Prozent der Frauen und jungen Mädchen leiden an Endometriose. Bei unerfülltem Kinderwunsch beträgt die Rate sogar 50 Prozent. „Trotzdem wird dieser Erkrankung nach wie vor zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, bestätigt der Gynäkologe. Stattdessen werden viele Frauen immer noch mit Schmerzmitteln und dem Ratschlag, sich psychosomatisch behandeln zu lassen, abgefertigt. Auch Sandra Lehmann kennt das alles. Ihr Leidensweg begann mit der ersten Regelblutung. Schon damals kämpfte sie mit heftigen Bauchschmerzen. „Man hat mir gesagt, das vergeht wieder“, erzählt die junge Frau. Doch nichts verging. Außer viel Zeit mit noch mehr Leid.
Als Sandra 16 war, verschrieb ihr der Frauenarzt die Pille. Das ist eine Möglichkeit, um den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut zu unterdrücken. Es half wenig. Mit 18 griff Sandra aus Verzweiflung zu Schmerztabletten. Was sie heute noch ärgert: Sie wurde als psychisch krank abgestempelt. Sie hätte Probleme mit der Sexualität oder mit ihrer Einstellung zur Weiblichkeit, bekam Sandra auf den Kopf zugesagt.
Zwischenzeitlich wurde in einem Krankenhaus zwar die richtige Diagnose gestellt. „Aber sie wollten mich nicht operieren, weil ich zu jung war“, erzählt Sandra Lehmann weiter. Erst zwei Jahre später gab es die ersehnte operative Hilfe. Die Situation der Frau besserte sich. Sieben Jahre blieb sie schmerzfrei, wurde Mutter einer süßen Tochter. Für dieses Glück ist Sandra Lehmann besonders dankbar, weil nicht selbstverständlich. Und sie hat sich geschworen, nicht mehr so lange zu warten, wenn wieder Schmerzen auftreten.
Minimal-invasive Technik
Vor etwa vier Monaten kehrte die Krankheit zurück. Die Dornbirnerin erhielt sofort eine Zuweisung zu Primar Stefan Rimbach. Er gilt als ausgewiesener Spezialist im Bereich der operativen Behandlung von Endometriose mittels minimal-invasiver Technik. Eine Patientenkarriere wie die von Sandra Lehmann ist laut Rimbach typisch für Endometriose. Im Durchschnitt dauert es sieben Jahre, bis Frauen adäquat behandelt werden. Das Problem insgesamt: Endometriose lässt sich nicht heilen. „In 30 bis 60 Prozent der Fälle taucht sie immer wieder auf“, verdeutlicht Rimbach. Zum einen liegt es an der Krankheit, da die Schleimhaut in der Lage ist, sich selbst zu ernähren. Zum anderen können winzig kleine Restherde das Aufflackern begünstigen. „Es ist daher wichtig, die Entzündungsherde möglichst radikal zu entfernen“, erläutert der Spezialist das Ziel eines Eingriffs.
Schwieriger Eingriff
Ein solcher gestaltet sich oft schwieriger als eine Krebsoperation. Grund sind Verwachsungen und damit verbunden Organveränderungen, die Endometriose verursacht. Bei Sandra Lehmann vermutete Stefan Rimbach eine „tiefinfiltrierende“ Endometriose. Die Annahme bewahrheitete sich glücklicherweise nur zum Teil. Aber allein das Entfernen der Verwachsungen rund um den Harnleiter dauerte eine Stunde. Endometriose in diesem Bereich ist deshalb gefährlich, weil auf Dauer die Nierenfunktion so stark in Mitleidenschaft gezogen werden kann, dass es zum Ausfall dieser Organe kommt.
Nach zwei Stunden können Primar Rimbach und sein Team die Instrumente weglegen. Der Eingriff verlief unproblematisch. Am Nachmittag ist auch die Patientin schon wieder wohlauf. Vom Eingriff bleibt nur eine winzige Narbe am Bauch. Und die Hoffnung auf eine möglichst lange andauernde schmerzfreie Zeit.
Gesichert werden kann eine Endometriose-Diagnose nur per Bauchspiegelung. „Aber eine Vermutung lässt sich auch aus den Schilderungen der Frauen ableiten“, sagt Stefan Rimbach. Er meint, dass bereits die Diagnostik beim Spezialisten stattfinden sollte. Dann wären Diagnose und Behandlung, ähnlich wie bei einer Darmspiegelung, gleichzeitig möglich.



Symptome
Symptome, die auf eine Endometriose schließen lassen:
» besonders heftige Schmerzen am ersten Tag der Regelblutung
» in andere Körpergegenden ausstrahlende Schmerzen
» der Griff zu Schmerzmitteln, weil die Beschwerden unerträglich werden
Stichwort
Endometriose
Endometriose ist eine Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleim außerhalb der Gebärmutter ansiedelt. Endometrioseherde sind meistens im Unterbauch (z. B. in Eierstöcken, am Bauchfell, Darm oder Blase), manchmal auch in anderen Organen (Haut, Lunge) zu finden. Endometrioseherde werden durch die Hormone des Monatszyklus beeinflusst. Weshalb eine Endometriose entsteht, ist noch unklar. Lange Menstruationsblutungen oder verkürzte Zyklen erhöhen das Risiko. Auch genetische Faktoren und Umweltschadstoffe wie z. B. Dioxin, erhöhen die Anfälligkeit für eine Endometriose. Die retrograde Menstruation, das heißt ein teilweises Abfließen des Menstruationsblutes über die Eileiter in den Bauchraum, spielt bei der Entstehung einer Endometriose eine wichtige Rolle. Dieses Blut enthält lebensfähige Schleimhautzellen der Gebärmutter. Besitzt diese Schleimhaut eine erhöhte Resistenz oder zeigt die Frau eine gewisse Schwäche des Abwehrsystems, können die Schleimhautzellen im Bauchraum überleben, am Bauchfell anhaften und einwachsen.