Kaltblütige Forschung lässt die Herzen höher schlagen

Gesund / 26.04.2013 • 11:01 Uhr
Bei einem plötzlichen Herzstillstand zählt buchstäblich jede Sekunde. Nun wird an therapeutischen Verbesserungen gearbeitet. Foto: fotolia
Bei einem plötzlichen Herzstillstand zählt buchstäblich jede Sekunde. Nun wird an therapeutischen Verbesserungen gearbeitet. Foto: fotolia

Rettende Wirkung kontrollierter Unterkühlung nach plötzlichem Herztod wird untersucht.

Modell. Ziel der wissenschaftlichen Arbeit ist die Beurteilung, ob solche Kältebehandlungen durch gleichzeitige invasive Wiederbelebungsmaßnahmen optimiert werden können. Wesentlich für das Projekt ist die Etablierung eines aussagekräftigen Modells, anhand dessen Verbesserungen in der Patientengesundheit vorhergesagt werden können. Dazu werden auch neurologische Verhaltenstests entwickelt, die den Vergleich verschiedener Behandlungsregime ermöglichen. Damit wird das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Projekt neue Grundlagen für die Optimierung der lebensrettenden Hypothermie schaffen.

Kombinationsmaßnahmen

Gekühlt bleibt’s länger frisch. Was auf den Salat zutrifft, gilt auch für den Menschen – besonders wenn der Körper schlecht mit Sauerstoff versorgt wird. Dies geschieht nach einem plötzlichen Herztod, der eine Überlebensrate von weniger als 10 Prozent hat. Tatsächlich ist eine milde Unterkühlung – eine sogenannte Hypothermie – die einzige wirksame Therapie zur Verbesserung der Überlebenschancen dieser Patienten. Jetzt wird von einem Team der MedUni Wien untersucht, wie sich diese Behandlung durch eine Kombination mit invasiven Reanimationsmaßnahmen weiter verbessern lässt.

Die positive Wirkung der Hypothermie liegt in der Reduktion des Schadens, den die Wiederdurchblutung dem Gewebe zufügt. Denn – so paradox es klingen mag – die Reanimation, die das Überleben der Patienten ermöglicht, führt zugleich zu einer Schädigung von Herzmuskel und Gehirn. Dazu Dr. Andreas Janata von der Universitätsklinik für Notfallmedizin, der das Projekt leitet: „Der sogenannte Reperfusionsschaden entsteht, wenn das Gehirn nach dem Stillstand wieder durchblutet wird. Tatsächlich löst die Wiederdurchblutung eine Entzündungsreaktion und oxidativen Stress aus, was das Gewebe schädigen kann. Dieser Schadensprozess kann durch Hypothermie reduziert werden.“

Behandlungsdilemma

Nach heute gängigen Protokollen wird die Körpertemperatur dabei auf 32 bis 34 Grad Celsius abgesenkt. Noch tiefere Temperaturen würden, so die Hypothese, zwar weitere Folgeschäden im Gehirn minimieren – doch würden sie zu nicht tolerierbaren Nebeneffekten für das Herz führen. Genau dieses Behandlungsdilemma will das Team um Dr. Janata in den Griff bekommen. Denn invasive Reanimationsmaßnahmen durch eine Herz-Lungen-Maschine entlasten das Herz während der Wiederbelebung und erlauben dadurch die Anwendung niedrigerer Temperaturen. Doch welches Temperaturmanagement optimal wäre, ist bislang unbekannt – und wird in diesem Projekt geklärt.

Cocktail „On the rocks“

Eine der Herausforderungen dabei ist die Vielzahl an physiologischen Prozessen, die durch Hypothermie beeinflusst werden. Dazu zählt neben dem programmierten Zelltod, neben Immunantworten und Schädigungen von Nervenzellen auch der oxidative Zellstress. Tatsächlich sind die betroffenen Vorgänge so komplex, dass es schwierig wäre, ein einziges Therapeutikum zu finden, das eine ähnlich umfassend positive Wirkung wie die Hypothermie hätte. Janata: „Hypothermie ist wie ein Cocktail verschiedener Medikamente. Das macht es schwierig, ihre Wirkung bzw. die Optimierung der Behandlungsbedingungen zu studieren.“

Der plötzliche Herztod ist ein Problem, das trotz seines häufigen Vorkommens bisher eine erschreckend geringe Überlebensrate aufweist.

Ein Schaden entsteht, wenn das Gehirn nach dem Stillstand wieder durchblutet wird.

andreas Janata