Wenn der Darm Alarm schlägt

Leben mit chronisch-entzündlicher Darm-erkrankung: Infotag am LKH Feldkirch.
Feldkirch. (VN-sas) Rund 80.000 Personen leiden österreichweit an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, oft irren Patienten jahrelang von Arzt zu Arzt, bis sie die richtige Diagnose erhalten. Am LKH Feldkirch wird am 19. September zu einem Darm-Infotag geladen. Oberarzt Dr. Paul Peters beantwortet vorab einige Fragen.
Wie viele Menschen leiden in Vorarlberg an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen?
Peters: Ich schätze, dass etwa 800 bis 1000 Vorarlberger an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (kurz CED) leiden, österreichweit sind circa 80.000 Menschen betroffen. Die Dunkelziffer ist hoch, da viele Patienten noch nicht richtig diagnostiziert worden sind.
Wo liegt das Problem?
Peters: Leider gehören Darmerkrankungen noch immer zu den Tabuthemen unserer Zeit. Die Betroffenen erleben ihre Erkrankung als sehr beschämend und ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Zahlreiche Patienten irren drei bis vier Jahre von einem Arzt zum anderen, bis sie die Diagnose „Morbus Crohn“ oder „Colitis ulcerosa“ erhalten. Daher sind Aufklärungs-Veranstaltungen wie unser Patienten-Infotag umso wichtiger.
Welche Symptome sind typisch für CED?
Peters: Eines der wichtigsten Verdachtszeichen sind chronische – das heißt über vier Wochen andauernde – nächtliche Beschwerden im Verdauungstrakt wie Bauchschmerzen und vor allem Durchfälle, die den Betroffenen nachts auf die Toilette zwingen. Aber auch Appetitmangel, Gewichtsabnahme, Fieber und allgemeine Abgeschlagenheit gehören zu den Leitsymptomen von „Morbus Crohn“ und „Colitis ulcerosa“. Ihr Verlauf ist meist schubförmig, die Abstände zwischen den Schüben können unterschiedlich groß sein und unter Umständen mehrere Jahre betragen. In der Akutphase ist die Stuhlfrequenz sehr häufig, der Alltag immer schlechter zu bewältigen. Die Patienten planen alle Aktivitäten nach der unmittelbaren Verfügarkeit von Toiletten.
Was passiert genau im Darm?
Peters: Bei entzündlichen Darmerkrankungen wie „Morbus Crohn“ und „Colitis ulcerosa“ wird der Darm von körpereigenen Immunzellen attackiert – es handelt sich also um sogenannte Autoimmunerkrankungen. Die „Colitis ulcerosa“ ist durch Entzündungen der Darmschleimhaut und der darunter liegenden lockeren Bindegewebsschicht im Dickdarm gekennzeichnet. Bei „Morbus Crohn“ können alle Wandabschnitte des Verdauungstraktes vom Mund bis zum Anus entzündet sein. Durch eine Früherkennung und frühzeitiges therapeutisches Eingreifen kann der Krankheitsverlauf positiv verändert werden. Insbesondere gelingt es uns immer besser, Komplikationen wie Fistelbildungen im Intimbereich, Abszesse, Verengungen bis zu Verschlüssen im Darm, tiefe Darmgeschwüre mit oft massiven Blutungen zu verhindern. Bei langjährigem unbehandeltem, schwerem entzündlichen Verlauf besteht auch ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs.
Was sind Ursachen für die Krankheit?
Peters: Warum chronisch-entzündliche Darmerkrankungen entstehen, ist nicht eindeutig geklärt. Zahlreiche Faktoren – genetische, infektiöse, immunologische und psychologische – dürften involviert sein. Auch Rauchen erhöht das Risiko bei Patienten mit „Morbus Crohn“, weitere Schübe zu erleiden. Das Risiko, einen Krankheitsschub zu bekommen, ist bei Rauchern um 50 Prozent höher. Zudem wirken Medikamente wie beispielsweise Kortison schlechter.
Gibt es Therapien, die die Krankheit stoppen oder gar heilen können?
Peters: Dank moderner Therapiekonzepte ist es gelungen, schwere Komplikationen zu beherrschen bzw. vorrangiges Ziel ist es, durch eine frühzeitige Behandlung diese erst gar nicht entstehen zu lassen. Die Therapiepalette reicht von Kortisonpräparaten, Schmerzmittel, über Therapien, die das Immunsystem unterdrücken, zu so genannten Biologika. Insbesondere diese letzte Medikamentengruppe hat es möglich gemacht, diese oft sehr schwerwiegenden Erkrankungen hervorragend zu beherrschen. Auch das erhöhte Darmkrebsrisiko bei länger bestehender Erkrankung kann damit reduziert werden. Wichtig ist auch die Wahl des richtigen Schmerzmittels.