„Es bestehen Wissensdefizite“

Aufklärung in fachlicher und korrekter Form zur Pyrotechnik-Problematik nötig.
Feldkirch. Er ist Arzt und sieht es schon aus diesem Grund als Verpflichtung an, auf die seiner Ansicht nach zu wenig bekannten Gefahren von Feuerwerken hinzuweisen. Walter Widder ist außerdem Mitglied des Vereins „Ärzte für eines gesunde Umwelt“ (ÄGU), der ihn bestärkt hat, das Thema weiter zu verfolgen. Aus ökologischer Sicht ist dem Pathologen der Umweltgedanken wichtig, da ihm Verunreinigungen von Luft und Landschaft stets Sorge bereiten, wie er sagt. Außerdem meint Dr. Walter Widder, dass ein von Fachleuten anerkanntes Problem immer noch weitgehend verharmlost wird.
Die Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG) wird auch heuer wieder alle Pyrotechnik-Unfälle erheben, soweit sie in Spitälern behandelt werden müssen. Wie funktioniert das?
Widder: Die Verletzungen werden in allen Notfallambulanzen Vorarlbergs erhoben und durch die Krankenhausbetriebsgesellschaft anonymisiert ausgewertet. Der administrative Aufwand dafür hält sich in vertretbarem Rahmen.
Lassen sich Präventionsmöglichkeiten daraus ableiten?
Widder: Vorarlberg ist ein Bundesland, in dem der Präventivmedizin seit Jahrzehnten ein hoher Stellenwert zugeschrieben wird. Dabei kommt den Medien eine besondere Bedeutung zu, aber auch Institutionen wie „Sicheres Vorarlberg“, Bürgerinitiativen sowie Leserbriefe leisten wertvolle Beiträge zur Aufklärung. Auch von der Landesregierung ergehen zum Jahreswechsel regelmäßig schriftliche Mitteilungen an alle Bürgermeister, auf den sensiblen Gebrauch von Feuerwerkskörpern und die Überwachung des Pyrotechnikgesetzes hinzuwirken.
Hat der Leichtsinn im Umgang mit Feuerwerkskörpern zugenommen?
Widder: Die bisherigen Daten lassen vermuten, dass erhebliche Wissensdefizite über die Gefahren von pyrotechnischen Gegenständen bestehen, was wiederum dem leichtsinnigen Umgang damit Vorschub leistet. So steht an erster Stelle der Prävention die Aufklärung der Bevölkerung in verständlicher und fachlich korrekter Form.
Was müssten dem Konsumenten die jüngsten schweren Unfälle mit pyrotechnischen Gegenständen sagen?
Widder: Es kann eigentlich erwartet werden, dass die Bürger auf potenzielle Gefahren entsprechend angemessen reagieren und sich der Verantwortung für die Mitwelt bewusst sind. Es lässt sich aber nicht leugnen, dass wir einen Teil davon auch mit noch so intensiven Anstrengungen nicht erreichen werden, selbst dann, wenn die Zielgruppen, zum Beispiel Jugendliche, direkt angesprochen werden.
Was sind die häufigsten Verletzungen?
Widder: In unserer Statistik überwiegen bei den Verletzungen die Rissquetschwunden und Verbrennungen an Gliedmaßen, aber auch am Kopf. Danach folgen Knalltraumen mit Trommelverletzungen (als Spitzenpegel wurden bei Feuerwerken bis zu 190 Dezibel gemessen) und folgenden Gehörschäden sowie Augenverletzungen. Bedauerlicherweise waren im vergangenen Jahr mehrfach auch Kinder betroffen. Das Durchschnittsalter der erfassten Patienten lag bei 20,5 Jahren.
Immer mehr rückt auch die Luftbelastung durch Feuerwerke in den Mittelpunkt. Was hat es damit auf sich?
Widder: Die Feinstaubbelastung mit Anstieg der PM-10-Konzentration und zeitweiser Überschreitung der Grenzwerte um das bis zu 30-fache stellt vor allem für Kinder und Personen mit bestehenden Atemwegserkrankungen ein gesundheitsgefährdendes Problem dar. Beachtenswert dabei ist der Umstand, dass Feinstaub aus Feuerwerken als wesentlich gefährlicher einzustufen ist als Feinstaub, den der Straßenverkehr verursacht. Der Grund: Bei Feuerwerken werden nicht nur Schwermetalle wie Strontium (etwa als Nitratverbindung im bengalischem Rotlicht), Kadmium und Barium freigesetzt, sondern auch das toxische und schwer abbaubare Hexachlorbenzol (HCB). Diese Stoffe gelangen dann wieder über Schnee und Regen in Boden und Gewässer und später demzufolge in die Nahrungskette. Nicht zuletzt muss auf die Verschmutzung der Umwelt durch Rückstände aller Art, Brandlegungen an Gebäuden und auf die negativen Auswirkungen auf die Tierwelt hingewiesen werden.

Zur Person
Dr. Walter Widder
Geboren: 2. Oktober 1943 in Wien
Wohnort: Feldkirch
Familienstand: verheiratet
Beruf: Arzt, Pathologe