Vorsorgliche Chemotherapie bei Brustkrebs oft unnötig

Gesund / 20.03.2015 • 10:27 Uhr
Sehr viele Frauen werden nach einer Brustkrebsoperation vorsorglich mit einer Chemotherapie behandelt.
Sehr viele Frauen werden nach einer Brustkrebsoperation vorsorglich mit einer Chemotherapie behandelt.

Genexpressionstests ermöglichen präzise Einschätzung des Rückfallrisikos.

Wien. Genexpressionstests sind seit Jahren international anerkannt und ermöglichen eine präzise Bestimmung des Rückfallrisikos nach Brustkrebsoperationen. In Österreich könnten damit jährlich bis zu 1000 unnötige Chemotherapien verhindert und somit nicht nur Leiden, sondern auch Kosten gespart werden. Die Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS) fordert die Krankenkassen auf, die Testkosten zu übernehmen.

Risikoabschätzung ungenau

Sehr viele Frauen werden nach einer Brustkrebsoperation vorsorglich mit einer Chemotherapie behandelt, um das Rückfallrisiko zu minimieren. Zur Bestimmung dieses Risikos werden üblicherweise immunhistochemische und pathohistologische Parameter herangezogen, wie die Tumorgröße, die Differenzierung des Tumors und eventuell vorliegende Metastasen der Achsellymphknoten. Damit kann etwa die Hälfte der Patientinnen eindeutig der Hoch- oder Niedrigrisikogruppe zugeordnet werden, bei der anderen Hälfte ist jedoch keine genaue Risikoabschätzung möglich. „Man weiß, dass nicht alle Frauen mit intermediärem Risiko unbedingt eine Chemotherapie benötigen. Aber die Entscheidung fällt im Einzelfall oftmals schwer, und daher wird sicherheitshalber häufig – das heißt zu häufig – zugunsten einer Chemotherapie entschieden“, führt Angelika Reiner, Pathologin und Präsidentin der ÖGS, aus.

Sehr teurer Test

Zusätzlich zur immunhistochemischen und pathohistologischen Testung sind bereits seit einigen Jahren Genexpressionstests medizinisch anerkannt und werden von internationalen Fachgesellschaften empfohlen. Diese genetischen Untersuchungen im Tumorgewebe ermöglichen präzise Einschätzungen des Rückfallrisikos und werden in vielen Ländern wie den USA, Großbritannien und Deutschland von den Krankenkassen bezahlt.

„In einem standardisierten Verfahren können hier Patientinnen identifiziert werden, die eine sehr gute Prognose haben und somit auf eine Chemotherapie verzichten können. Diese momentan noch sehr teuren Tests machen vor allem bei jenen Patientinnen Sinn, deren Risiko wir nach herkömmlichen Testungen als intermediär einstufen“, sagt Ruth Exner von der Universitätsklinik für Chirurgie Wien und Mitglied eines internationalen Forschungsteams zu Genexpressionstests. Christian Singer, ÖGS-Vorstandsmitglied und Leiter der Senologie an der Universitätsfrauenklinik Wien, schätzt die Zahl der Frauen, denen durch eine präzisere Risikoeinschätzung mittels Genexpressionstests eine Chemotherapie erspart werden könnte, auf jährlich bis zu 1000.

Unnötige Therapien

Da unnötig durchgeführte Chemotherapien sowohl massives Leid bei den betroffenen Patientinnen als auch sehr hohe Kosten für das Gesundheitssystem verursachen, fordert die ÖGS die Krankenkassen dazu auf, die Kosten für Genexpressionstests bei Patientinnen mit intermediärem Risiko zu übernehmen. „Wenn man bedenkt, dass ein einziger von bis zu acht pro Patientin notwendigen Chemotherapiezyklen bereits mehr kostet als die gesamte Durchführung eines Genexpressionstests, erscheint es schon alleine aus finanziellen Überlegungen widersinnig, dass die Krankenkassen bis heute kein Geld für diese Untersuchung aufbringen. Man bringt sich damit um die Möglichkeit, auf eine teure, belastende und völlig unnötige Therapie ganz einfach zu verzichten“, betont Singer.

Es erscheint schon aus finanziellen Überlegungen widersinnig.

Christian Singer