Bei Alkoholkranken spielen Emotionen eine große Rolle
Nicht verarbeitete negative Gefühle führen oft zum Rückfall in die Alkoholsucht.
berlin. In Deutschland sind 1,9 Millionen Menschen alkoholabhängig. In Österreich geht man von rund 350.000 Betroffenen aus. Auch nach einem Entzug fällt es vielen von ihnen schwer, abstinent zu bleiben. Laut Studien der deutschen Expertin Katrin Charlet von der Berliner Charite hängt das mit einer oft mangelnden Fähigkeit der Abhängigen zusammen, mit negativen Emotionen fertig zu werden.
Die Rückfallrate liegt in den ersten Monaten der Abstinenzphase bei 50 bis 80 Prozent. „Die Ursachen dafür sind sehr komplex und nicht bei jedem gleich“, sagte Katrin Charlet. Zwar kämpfen fast alle Alkoholabhängigen mit negativen Emotionen. Entscheidend sei, wie gut die Betroffenen diese Emotionen verarbeiten können. „Wir vermuten, dass Alkoholabhängige im Vergleich zu nicht abhängigkeitskranken Menschen Schwierigkeiten in der Wahrnehmung emotionaler Gesichtsausdrücke zeigen. Sie berichten vermehrt über zwischenmenschliche Probleme.“
Um den Ursachen des Rückfallrisikos auf den Grund zu gehen, hat Charlet Emotionsexperimente bei mehr als 150 entgifteten, alkoholabhängigen Patienten durchgeführt und mit Gesunden verglichen. „Mittels funktioneller und struktureller Magnetresonanztomographie (MRT) sowie Positronen-Emissions-Tomographie (PET) konnten wir Aktivierungsmuster zwischen der frontalen Großhirnrinde und dem limbischen Emotionszentrum identifizieren, die negative Emotionen wie Angst oder Wut verarbeiten und vermutlich auch regulieren“, erläuterte die Expertin.
Patienten, bei denen diese Hirnleistungen intakt sind, blieben in den ersten kritischen sechs Monaten nach der Entgiftung abstinent. Patienten, bei denen diese Hirnareale gestört waren, fiel es schwer, Gefühle wie Angst und Wut zu regulieren. Sie wurden häufiger rückfällig. Damit könnte man eventuell in Zukunft Patienten mit einem hohen Rückfallrisiko identifizieren.
Entscheidend für die Abstinenz ist, wie gut Betroffene negative Emotionen verarbeiten können.
Katrin Charlet