Fragile Bänder, die uns tragen

Je komplexer eine Knieverletzung, umso größer die medizinische Herausforderung.
Feldkirch. (VN-mm) Mehr als vierzig Jahre in der Unfallchirurgie und immer noch mit Begeisterung dabei: Seine Leidenschaft für dieses medizinische Fach ließ Primar Karl-Peter Benedetto auch die vielen Zuhörer der MedKonkret-Veranstaltung zum Thema Knie spüren. Kaum verwunderlich, dass der Panoramasaal im Landeskrankenhaus Feldkirch einmal mehr an die Grenzen seiner Aufnahmekapazität geriet. Dicht gedrängt saßen die Besucher und lauschten aufmerksam den Ausführungen des scheidenden Unfallprimars. Der ließ nicht nur Erfahrung, sondern auch Bilder sprechen. Sie veranschaulichten, welche Komplexität hinter dem reibungslosen Ablauf von Kniebewegungen, die wir tagtäglich und selbstverständlich durchführen, eigentlich steckt.
Dreidimensional im Kopf
Das Knie lässt uns viel Bewegungsspielraum. Damit ein solcher gegeben ist, braucht es aber auch eine gewisse Stabilität. Ansonsten würden die Unterschenkel ein ungesundes Eigenleben führen. Kreuzbänder, Menisci und Muskulatur sorgen für den nötigen Halt. Allerdings gehören die Knie zu jenen Körperteilen, die enorm strapaziert werden, besonders beim Sport. Das macht sie anfällig für Verletzungen und Abnutzung. In solchen Fällen ist die Unfallchirurgie gefordert. „Je tiefer man in das Kniegelenk kommt, umso komplexer das Gebilde und umso größer die Herausforderung bei der Rekonstruktion“, verdeutlichte Primar Karl-Peter Benedetto. Deshalb sei es vor einem Eingriff wichtig, das Knie dreidimensional im Kopf und auch den Patienten schon im Kopf operiert zu haben. Denn es gibt Eingriffe, die müssen schnell gehen.
Bremsende Funktion
Als zentrale Pfeiler im Knie gelten die Kreuzbänder. Sie verhindern, dass der Unterschenkel nach vorne oder nach hinten kippt. Außerdem haben sie bei Drehungen des Unterschenkels eine bremsende Funktion. „Wenn dieser Pfeiler kaputt ist, funktioniert das ganze System nicht mehr“, machte Benedetto klar. Am häufigsten reißt das vordere Kreuzband. Das Verletzungsverhältnis liegt bei 90:10 Prozent. Das ist mit ein Grund, dass Verletzungen des hinteren Kreuzbandes häufig übersehen werden. Die klassische Diagnostik bei einem Kreuzbandriss stellt nach wie vor die klinische Untersuchung dar. Damit lässt sich eine solche Verletzung zu 95 Prozent sicher feststellen. Aus juristischen Gründen werde aber jeder Patient zu einer MR-Untersuchung geschickt, um im Falle des Falles einen bildlichen Nachweis vorlegen zu können, wie Karl-Peter Benedetto anmerkte.
Ein Großteil der Kniechirurgie wird heutzutage mittels Arthroskopie durchgeführt. Gute Chancen, erfolgreich operiert zu werden, bestehen beim Meniskus. Da er zu 80 Prozent aus Wasser besteht, lassen sich Einrisse im MRT gut darstellen. „Ist ein Meniskus eingerissen wird versucht, möglichst viel gesundes Gewebe zu erhalten“, erklärte Benedetto. Das Entfernen von zu viel Gewebe beeinträchtigt die Stoßdämpferfunktion, die Menisci haben. Als Folge baut der Knorpel ab und es bildet sich eine Arthrose. Bei Arthrose besteht die Möglichkeit einer Beinachsenkorrektur. Damit lässt sich die Versorgung mit einer Prothese bis zu zwanzig Jahre hinauszögern. Dieses Verfahren empfiehlt sich für junge und sportlich aktive Patienten. Bei Eingriffen am Knie müssen laut Benedetto grundsätzlich immer die Lebensumstände des Betroffenen mitberücksichtig werden. „Es ist Aufgabe der Medizin, einem Patienten den Lebensstil zu ermöglichen, den er sich wünscht“, betonte der Unfallchirurg.
Sehnen als Ersatz
Das gilt auch bei der Rekonstruktion von lädierten Bändern. Früher wurden sie einfach wieder zusammengenäht. Doch die Lebensdauer dieser Maßnahme war begrenzt. Inzwischen dienen Sehnen als Ersatz für Kreuzbänder. „Eine spannende Sache“, meinte Karl-Peter Benedetto. Ob ein Kreuzband rekonstruiert wird, hängt vom Ausmaß der Verletzung ab und von den Ansprüchen, die beruflich oder sportlich weiterhin an das Knie gestellt werden. Ist eine Rekonstruktion nicht mehr möglich, kommen die Prothesen ins Spiel. Sie sind auch eine Option bei starker Arthrose. Was die Haltbarkeit von Prothesen anlangt, wollte sich der Mediziner jedoch nicht festlegen. Denn es gebe Faktoren, welche die Haltbarkeit beeinflussen, wie etwa die Qualität der Knochen und das Gewicht.
Zum Schluss erläuterte der versierte Unfallchirurg die Vielseitigkeit der Unfallchirurgie noch anhand einer Beinverlängerung, die er bei einer jungen Frau vorgenommen hatte. Vier Zentimeter mussten Millimeter für Millimeter ausgeglichen werden. Jetzt steht die Kärntnerin wieder mit beiden Beinen fest im Leben.
Zusatztermin
Das Interesse am MedKonkret-Vortrag mit Primar Karl-Peter Benedetto war so groß, dass viele Besucher keinen Platz mehr fanden. Aus diesem Grund wird es am Dienstag, 29. März, einen Zusatztermin geben. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr und findet wieder im Panoramasaal des LKH Feldkirch statt. Der Eintritt ist frei, ebenso das Parken in der Parkgarage.