Hilfe, die aus der Kälte kommt

Gesund / 19.08.2016 • 09:22 Uhr
Dieses unscheinbare Blutpäckchen enthält wertvolle Stammzellen. Fotos: sissi furgler
Dieses unscheinbare Blutpäckchen enthält wertvolle Stammzellen. Fotos: sissi furgler

Nabelschnurblut ist ein wertvolles Gut, wird aber immer noch häufig entsorgt.

Bregenz. (VN-mm) Nabelschnurblut gewinnt in der Medizin immer mehr an Bedeutung. Auf den daraus gewonnen Stammzellen ruhen die Hoffnungen, Krankheiten heilen oder zumindest lindern zu können. Entsprechend gut floriert auch das Geschäft mit der Einlagerung, wie Gernot Erlach, Geschäftsführer von Vita 34 Österreich, der größten Stammzellbank im deutschsprachigen Raum, bestätigt.

Wie viel Nabelschnurblut hat das Unternehmen eingelagert?

Erlach: Wir verwalten nunmehr die größte österreichische Nabelschnurblutbank, und diese (Stammzell-)Bank wollen wir weiterentwickeln. Bis dato haben wir 18.000 Einlagerungen aus Österreich, oder anders formuliert kann man auch sagen, dass wir mit ca. 100.000 Österreicherinnen und Österreicher in Kontakt stehen. Wir arbeiten derzeit mit 2000 Spitälern sowie 15.000 Gynäkologen in 21 Ländern zusammen und bieten in Österreich derzeit die einzige Möglichkeit, Nabelschnurblut-Spenden einzulagern.

Wie hoch ist die Akzeptanz für diese Maßnahme?

Erlach: Leider werden noch immer ca. 97 Prozent aller Nabelschnüre nach der Geburt verworfen. Daher ist es wichtig, werdende Eltern über die Möglichkeiten zum Thema Stammzellen aus der Nabelschnur zu informieren und aufzuklären. Ein Stammzelldepot steht ein Leben lang zur Verfügung. Im Anwendungsfall können die Stammzellen aus ihrem Kälteschlaf aufgeweckt werden und im Rahmen von medizinischen Therapien zum Einsatz kommen.

Wurde eingelagertes Nabelschnurblut bereits für medizinische Interventionen benötigt?

Erlach: Bis heute kamen eingelagerte Stammzellen 30 Mal zur Anwendung. Erst im Dezember 2015 wurden einem fünfjährigen Mädchen, das unter einem Neuroblastom litt, seine eigenen Stammzellen aus der Nabelschnur transplantiert, um nach einer Hochdosischemo­therapie das blutbildende System und alle Immunzellen wieder zu regenerieren. Die kleine Patientin hat diese sogenannte autologe Anwendung (das heißt Spender und Empfänger sind dieselbe Person) gut überstanden.

Wo liegen weitere Anwendungsmöglichkeiten?

Erlach: Stammzellen aus dem Nabelschnurblut können bei der Behandlung von onkologischen Erkrankungen, bei Störungen des blutbildenden Systems oder bei kindlichen Hirnschädigungen eingesetzt werden. Im Bereich der Regenerativen Medizin sind besonders die Stammzellen des Nabelschnurgewebes interessant. Hier werden derzeit auch vielversprechende Studien zur Behandlung neurologisch degenerativer Erkrankungen, wie Parkinson und Alzheimer, durchgeführt. Weiterhin gibt es aussichtsreiche Ergebnisse bei der Therapie von Autoimmunerkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ 1 oder Multiple Sklerose. Bei Multiple Sklerose ist heute schon bekannt, dass eine Transplantation mit Stammzellen geeignet ist, den Krankheitsverlauf über einen langen Zeitraum zu stoppen und sogar dazu führen kann, dass Patienten ihre funktionalen Fähigkeiten teilweise wiedererlangen.

Können Verwechslungen ausgeschlossen werden?

Erlach: Durch die Vergabe einer sogenannten ID-Nummer ist die eindeutige Lagerung möglich und Verwechslungen sind absolut ausgeschlossen. Zunächst bekommen die werdenden Eltern ein Entnahmeset, in dem die persönlichen Daten der werdenden Mutter vermerkt sind. Beim Eintreffen des Paketes wird eine Identifikationsnummer vergeben. Diese Nummer beschreibt, um welches Präparat es sich handelt und erlaubt somit die eindeutige, einmalige Zuordnung. Zusätzlich wird vor einer Abgabe zur Transplantation anhand einer Speichelprobe des Empfängers die Identität des Nabelschnurblutpräparates überprüft.

Wie hoch sind die Kosten?

Erlach: Nabelschnurblut kann ab 1990 Euro einlagert werden.

Welche Bedeutung wird diese Maßnahme insgesamt für den medizinischen Fortschritt haben?

Erlach: Wir erwarten auf dem Gebiet der Stammzelltherapie für die nächsten Jahre neue Erkenntnisse und Entwicklungen und arbeiten auch selbst aktiv an weiteren denkbaren Einsatzmöglichkeiten. In Kooperation mit renommierten Universitäten und Forschungseinrichtungen untersuchen wir neue Therapiemöglichkeiten bei verschiedenen Erkrankungen.

Eingelagerte Stammzellen kamen 30 Mal zur Anwendung.

Gernot Erlach
Dieses unscheinbare Blutpäckchen enthält wertvolle Stammzellen. Fotos: sissi furgler
Dieses unscheinbare Blutpäckchen enthält wertvolle Stammzellen. Fotos: sissi furgler

Vortrag für werdende Eltern zur Nabelschnurblutspende am Dienstag, 6. September, 18 Uhr, im Hotel Mercure in Bregenz