Selten, aber sehr folgenreich
Aufholbedarf bei Diagnose und Therapie der chronisch-entzündlichen Lebererkrankung PBC angezeigt.
Wien. Seit drei Jahren steht im September auch die wenig bekannte, aber dennoch bedrohliche Autoimmunerkrankung Primär Biliäre Cholangitis (PBC) im Zentrum des Interesses. Bei der PBC handelt es sich um eine fortschreitende, chronisch-entzündliche Lebererkrankung, bei der körpereigene Zellen die kleinsten Gallenwege angreifen. Unbehandelt kann diese Krankheit zu Leberzirrhose und schließlich zu Leberkrebs führen. „Betroffen sind zu 90 Prozent Frauen“, erläutert Angelika Widhalm, Vorsitzende der Hepatitis Hilfe Österreich (HHÖ). Etwa eine von 1000 Frauen über 40 erkrankt. Kinder erkranken nicht.
Großer Aufholbedarf
„Mit den Erfolgen in der Therapie der Virushepatitis treten nicht-virale Lebererkrankungen wie die immunologischen Leber- und Gallenwegserkrankungen vermehrt in den medizinischen Blickpunkt“, sagt Univ.-Prof. Michael Trauner vom AKH Wien, der einen großen Aufholbedarf hinsichtlich rechtzeitiger Diagnose bzw. Therapie, aber auch im Bereich Forschung und Wissenschaft ortet. „Trotz ihrer relativen Seltenheit machen immunologische Lebererkrankungen in europäischen Zentren etwa 15 bis 20 Prozent aller Indikationen zur Lebertransplantation aus. Mit der Ursodeoxycholsäure (UDCA), welche aus der chinesischen Volksmedizin stammt, liegt zwar eine effektive medikamentöse Therapie vor, die den Krankheitsverlauf bremst und die Notwendigkeit der Lebertransplantation senkt, nur leider sprechen etwa 40 bis 50 Prozent der Patienten, vor allem jüngere Frauen und Männer, nicht ausreichend auf diese Therapie an“, geht Trauner ins Detail.
Neue Therapie vor Zulassung
Vor Kurzem wurde in den USA aber eine neue Therapie zugelassen, von der vor allem Non-Responder auf UDCA profitieren dürften, meint Trauner und ist überzeugt, dass eine entsprechende Zulassung in Europa in naher Zukunft folgen wird. Darüber hinaus rechnet er innerhalb der nächsten fünf Jahre mit weiteren Therapieoptionen und Medikamenten, die in den Gallensäurenstoffwechsel und die immunologischen Krankheitsvorgänge bei PBC eingreifen. „Neben der Leber sollten auch andere Organe wie Schilddrüse, Knochendichte und die Trockenheit von Augen und Mund-Schleimhäuten Beachtung finden. Falls die medikamentösen Therapieoptionen die Progression der Erkrankung nicht genügend abbremsen, besteht die Möglichkeit einer Lebertransplantation, welche bei PBC ausgezeichnete Ergebnisse mit sehr gutem Langzeitüberleben aufweist“, merkt der Spezialist an.
Psychische Belastungen
„Die Symptome einer PBC-Erkrankung bedeuten oft enorme psychische und physische Belastungen für die Betroffenen. Das tägliche Kämpfen mit Juckreiz, Müdigkeit und Verfärbungen der Haut, zum Beispiel an Händen und Füßen, verlangt den Patienten viel Energie ab. Zusätzliche Stressfaktoren stellen regelmäßige Untersuchungen und das ständige Einnehmen von Medikamenten dar“, weiß Angelika Widhalm. „Wenn es durch die PBC-Erkrankung beispielsweise zu einem Leberversagen, einer Leberzirrhose oder einer hepatischen Enzephalopathie kommt und eine Lebertransplantation nötig sein könnte, stehen die Patienten wieder vor einer für sie scheinbar unüberwindbaren Mauer.“
Nun gibt es zwar Spezialisten unter den Psychologen, die in einer solchen Situation helfen können, doch sind die Kosten für derartige Behandlungen in den meisten Fällen von den Patienten selbst zu tragen. „Die Krankenversicherungen übernehmen – wenn überhaupt – nur einen minimalen Teil. Das ist untragbar für die Patienten und ethisch zu hinterfragen“, kritisiert Widhalm. Meist werde nämlich erwartet, dass der betreuende Arzt bzw. Familie und Freunde den Patienten den nötigen psychologischen Halt geben. „Mit diesem Muster muss jedoch gebrochen werden“, betont Widhalm. „Und um dies zu erreichen, arbeiten Patientenorganisationen wie die HHÖ gemeinsam mit Ärzten, Psychologen und Vertretern der Politik aktiv an einem Weg der professionellen psychologischen Begleitung für die Patienten und ihre Angehörigen.“