Gramm für Gramm

Gesund / 21.06.2019 • 10:58 Uhr
Spar-Chef Gerhard Drexel sieht in der Vermittlung von Information für eine gesunde Ernährung auch eine Verpflichtung. helge kirchberger
Spar-Chef Gerhard Drexel sieht in der Vermittlung von Information für eine gesunde Ernährung auch eine Verpflichtung. helge kirchberger

Schwieriger Ausstieg aus der Zuckerfalle.

Dornbirn Seit Anbeginn ist der Lebensmittelkonzern Spar ein Partner des Medicinicums in Lech, das heuer vom 4. bis 7. Juli stattfindet. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Menschen über gesunde Ernährung und generell über die verschiedenen Aspekte der Ernährung zu informieren. Mit einer solchen Veranstaltung erreichen wir das“, begründet Vorstandsvorsitzender Gerhard Drexel das Sponsoring. Thema der Veranstaltung heuer: Die Ökologie als Schlüsselfrage für die Gesundheit.

 

Wie kann sich ein Lebensmittelkonzern guten Gewissens zwischen Ökonomie und Ökologie bewegen?

Drexel Es ist, wie bei vielen großen Themen eine Frage des Überlegens und Abwägens. Als Unternehmen hat man genauso wie der Konsument die Wahl, eine nachhaltigere Entscheidung zu treffen. Die Konsumenten müssen sich fragen: „Kaufe ich bewusst ein regionales Produkt oder aber ein vergleichbares Produkt aus einem fernen Land?“ Wir als Unternehmen müssen uns fragen: „Forcieren wir ganz bewusst regionale und österreichische Qualitätsanbieter von Lebensmitteln oder aber die billigsten Produzenten aus dem Ausland?“ Letztendlich muss jeder seinen Beitrag leisten, und wenn man will, dann geht das auch.

 

Wie schwierig war oder ist es immer noch, etwa aus dem „Zucker-Hamsterrad“ auszusteigen?

Drexel Selbstverständlich ist es eine Herausforderung, Zucker aus den Lebensmitteln zu entfernen. Wir stehen vor der Herausforderung, dass der Konsument an die Süße in einem Produkt gewöhnt ist. Wir können daher nur langsam, sozusagen Gramm für Gramm, den Zucker aus jedem einzelnen Produkt entfernen und unsere Kunden schrittweise an einen weniger süßen Geschmack gewöhnen. Wir nennen das die „Evolution des Geschmacksempfindens“. Wir lehnen es ab, den entfernten Zucker durch künstliche Süßstoffe zu ersetzen. Das wäre Konsumententäuschung und aus gesundheitlicher Sicht hochproblematisch. Wir haben seit Anfang der Zuckerreduktionsoffensive bereits 575 Tonnen Zucker aus unseren Spar-Eigenmarken entfernt. Ziel ist es, bis Ende 2020 insgesamt 1000 Tonnen Zucker aus unseren Spar-Eigenmarken zu entfernen, selbstverständlich ohne Ersatz durch künstliche Süßstoffe.

 

Was brauchte es dazu vor allem?

Drexel Geduld! Wir müssen uns nicht nur über den Geschmack des Produkts Gedanken machen, sondern auch um die Konsistenz oder die Haltbarkeit. Zucker hat eine oftmals größere Auswirkung auf ein Produkt, als sich das der Konsument vorstellen kann. Bei einem Eistee verläuft die Zuckerreduktion anders als etwa bei Ketchup oder Senf. Bei Getränken fällt es uns leichter, den Zuckeranteil zu senken. Beim Senf haben wir zum Beispiel die Herausforderung, dass die Schärfe sehr dominierend ist, wenn der Zucker einfach entnommen wird. Hier müssen wir wirklich Gramm für Gramm testen, um die ideale geschmackliche Balance zu finden. Wir müssen jedes Produkt individuell betrachten. Auch wenn das Ergebnis mit weniger Süße und weniger Zucker gleich ist, der Weg ist bei jedem Produkt ein anderer. Die Zuckerreduktion hat also viele Facetten.

 

Hat sich Spar einem Druck gebeugt oder war es die eigene Überzeugung, die handeln ließ?

Drexel Zusammen mit unserem wissenschaftlichen Ärztebeirat verfolgen wir seit über einem Jahrzehnt mehrere Gesundheitsinitiativen, darunter auch die konsequente Reduktion von Zucker in unseren Eigenmarken. Bester Beleg dafür ist unsere Eigenmarke Spar-Vital, die bereits seit über zehn Jahren ernährungs- und gesundheitsbewusste Menschen begeistert. Es ist somit unsere innerste und eigene Motivation, die uns antreibt. Als Lebensmittelhändler fühlen wir uns verantwortlich für das, was wir anbieten, eben „Mittel zum Leben“. Am besten gelingt uns das bei unseren Eigenmarken, auf die bereits 40 Prozent unseres Umsatzes entfallen. Bei den Eigenmarken sind wir autonom und legen selbstständig Rezepturen, Inhaltsstoffe und Herstellungsmethode fest.

 

Es schließen sich immer mehr Unternehmen der Zucker-raus-Initiative an: Entspringt das einer Notwendigkeit?

Drexel Wir haben mit unserer „Zucker-raus-Initiative“ einen richtungsweisenden Schulterschluss zwischen Ärzten, Händlern und Lebensmittelproduzenten ermöglicht. Ein positives Beispiel in dieser Hinsicht ist auch das Vorarlberger Familienunternehmen Rauch-Fruchtsäfte, das seit Beginn Partner unserer Allianz ist. Mit der „Zucker-raus-Initiative“ haben wir es geschafft, das Thema Zuckerreduktion auf eine nächste, höhere Ebene zu heben. Die wichtige gesundheitspolitische Frage hinsichtlich des Zuckerkonsums erhält dadurch mehr Aufmerksamkeit, und besonders schön ist, dass nun auch die Politik dieses Thema wahrgenommen hat.

 

Goutieren Konsumenten die gesetzten Maßnahmen?

Drexel Wir erhalten sehr viel positives Feedback von anderen Unternehmen, von Kunden sowie Ärzten. Wir bemerken dies, weil die Nachfrage nach Produkten mit weniger Zuckergehalt steigt. Auch Pädagogen sind von der Initiative begeistert. Das Thema Zuckerreduktion bewegt die Menschen.

 

Wie sehen die Lebensmittel der Zukunft aus?

Drexel Es ist natürlich immer schwierig, in die Zukunft zu sehen. Das gilt auch für Lebensmittel. Wer hätte bei uns vor 30 Jahren an Zuckerreduktion oder Verzicht auf Palmöl gedacht oder daran, dass die asiatische Küche hier Einzug hält? Ich hoffe jedenfalls und werde unser Möglichstes dazu beitragen, dass uns die wunderbare Opulenz und Vielfalt der Lebensmittel erhalten bleiben. VN-MM