Marlies Mohr

Kommentar

Marlies Mohr

Fallobst

Gesund / 11.09.2020 • 10:17 Uhr

Träge segelte das kleine Blatt, von der Fülle des Sommers schon müde geworden, zu Boden. Ein herbstlich angehauchter Windstoß hatte es vom Baum getragen. Es machte keinen Lärm, es landete sanft und leise. Etwas brachialer die nächste Begegnung mit dem Herbst. Plopp, plopp und nochmals plopp tönte es beim morgendlichen Spaziergang plötzlich neben und hinter mir. Auch mein Hund schaute einigermaßen konsterniert, als uns unversehens Fallobst um die Ohren flog. Nun ja, damit muss derzeit gerechnet werden. Hauptsache, es gibt sie noch, diese schönen knorrigen Hochstammbäume, von denen viele trotz ihres Alters tragen, als ob es kein Morgen mehr gäbe.

Der Herbst bringt aber nicht nur Fallobst. Er beschert uns auch wieder kürzere Tage. Ihr Schrumpfen ist beinahe greifbar. Immer weiter schleichen sich morgens und abends die Schatten der Nacht ins Licht, werden länger und länger. Ein Vorgang, der nicht jedem zuträglich ist, der Wehmut heraufbeschwört, die Leichtigkeit des Sommers vergessen macht, stattdessen das Vergängliche vor Augen führt. Menschen verfallen ins Grübeln – in Zeiten wie diesen vielleicht noch mehr – werden schwermütig, sogar depressiv. Lassen Sie erst gar nicht zu, dass Ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Gehen Sie hinaus, inhalieren Sie Lebendigkeit, Freude, Frohsinn. Eine Birne, die neben, hinter oder auf uns aufschlägt, ist garantiert weniger schmerzhaft als das Gefühl des Verlorenseins.

Marlies Mohr

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