Viele Übel in Schach gehalten

Gesund / 13.08.2021 • 11:24 Uhr
Oberärztin Gabriele Hartmann hat das Geschehen genau im Blick. Nach der Entspannung rechnet sie im kommenden Jahr wieder mit mehr Infektionen.khbg
Oberärztin Gabriele Hartmann hat das Geschehen genau im Blick. Nach der Entspannung rechnet sie im kommenden Jahr wieder mit mehr Infektionen.khbg

Coronamaßnahmen entzogen auch anderen Viren und Bakterien den Nährboden.

Feldkirch Lockdown, Schutzmaske, weniger Kontakte, Abstandhalten, Händewaschen, Reisebeschränkungen: Die Maßnahmen, die verhängt wurden, um das Coronavirus in Schach zu halten, haben auch anderen Viren und Bakterien die Übertragung schwieriger gemacht. So sind in Vorarlberg im ersten Coronajahr vor allem jene Infektions- und meldepflichtigen Krankheiten zurückgedrängt worden, die durch Tröpfchen übertragen werden. Am deutlichsten fällt dieser Rückgang bei Influenza, Atemwegs- sowie Fernreise- und Tropenkrankheiten auf.

Influenza blieb aus

Während in Vorarlberg pro Jahr durchschnittlich über 100 Menschen wegen einer Influenza stationär im Spital behandelt werden müssen, hat es in der Grippesaison 2020/21 im Land praktisch überhaupt keine bestätigten Grippefälle gegeben, sprich: Heuer war die Grippewelle nicht bemerkbar. „Das war auch gut so“, zieht OÄ Gabriele Hartmann, Leiterin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsvorsorge am Landeskrankenhaus Feldkirch, Bilanz. „Normalerweise sind unsere Stationen im Jänner und Februar mit Grippepatienten voll. Der Lockdown in dieser Hochphase der Influenza hat uns heuer tatsächlich entlastet. Nicht auszudenken, wenn die Grippewelle noch zur Coronapandemie dazugekommen wäre“, sagt Hartmann. Sie geht allerdings davon aus, dass diese Verschnaufpause nur kurz währt. Zurückgegangen ist im ersten Coronajahr vor allem die Zahl an Infekten der Atemwege, die durch Tröpfchen übertragen werden: Respiratorische Viren und Bakterien, wie etwa das Bakterium Hämophilus influenzae, das Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen verursachen kann, sind spürbar weniger aufgetreten. „Wir haben auch einen starken Rückgang von RSV-Infektionen beobachtet“, bestätigt Gabriele Hartmann.

Infektionen verschwunden

Das RSV ist ein Erreger, der vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern Atemwegsinfektionen verursacht. „Tatsächlich“, ergänzt Primar Burkhard Simma, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, „konnten wir mit Beginn des ersten Lockdowns 2020 den vorerst letzten unserer RSV-Patient entlassen. In der Zeit danach ist die Infektion bis dato praktisch verschwunden. Ansonsten merken wir das Aussetzen diverser Infektionskrankheiten – von Influenza bis hin zu Atemwegsinfekten – im Kinderbereich genauso wie bei den Erwachsenen. Da gibt es kaum einen Unterschied.“

Deutlich weniger aufgetreten sind auch Pneumokokken. Die Bakterien können Hals-, Atemwegs- und im schlimmsten Fall Hirnhautentzündungen auslösen. Teilweise verzeichnet die Statistik des Sozialministeriums einen Rückgang der gemeldeten Fälle um bis zu 50 Prozent. Durchatmen hieß es auch bei Keuchhusten, der vergangenes Jahr laut Statistik in Vorarlberg 24 Mal diagnostiziert worden ist, 2019 waren es noch 32 Fälle. Scharlach ist von 16 auf zwei Fälle zurückgegangen, und Masern ist im Coronajahr 2020 überhaupt nicht mehr aufgetaucht. 2019 haben immerhin zwei bestätigte Fälle im Land den Fachleuten Sorgen bereitet.

Unliebsame Souveniers

Wer auf Reisen geht, bringt hin und wieder unliebsame Souvenirs, etwa in Form von Salmonellen und Denguefieber mit. 2020 sind aufgrund der Reisebeschränkungen auch die Zahlen typischer Fernreise- und Tropenkrankheiten zurückgegangen bzw. teils sogar auf null gesunken. Auch bei Hepatitis C sind die gemeldeten Fälle zurückgegangen: 27 Mal ist Hepatitis C in diagnostiziert worden, im Jahr davor 65 Mal.

Noroviren kann man sich ebenfalls überall einfangen. Die Auslöser für Magen-Darm-Infektionen fanden im Coronajahr auch keinen guten Nährboden für ihre Verbreitung: Sie sind 41 Mal gemeldet worden, im Jahr 2019 haben Noroviren noch in 104 Fällen den Menschen das Leben schwergemacht. „Alles in allem dürften die Hauptgründe für die teils sehr starken Rückgänge einzelner Erreger tatsächlich in den Lockdowns und Hygienemaßnahmen liegen“, fasst Gabriele Hartmann zusammen. Die Expertin geht zudem davon aus, dass sich auch die Kindergarten- und Schulschließungen entsprechend ausgewirkt haben.