Die ignorierte Pandemie

Bessere Versorgung für Diabetiker im niedergelassenen Bereich angestrebt.
Feldkirch Es sind schon viele, und es werden noch mehr. Rund 40.000 Menschen in Vorarlberg leiden bereits an Diabetes. Die jährliche Steigerungsrate geben Experten mit fünf bis 10 Prozent an. Trotzdem ist Diabetes in der Öffentlichkeit kaum ein Thema. Joe Meusburger, Leiter der Diabetes Selbsthilfe Vorarlberg, spricht gar von einer ignorierten Pandemie. Seit Längerem wird versucht, die Betreuung von Betroffenen auf eine breitere Basis zu stellen und in die Niederlassung zu verlegen. Dort sollen Diabetesberaterinnen und – berater die oft aufwendige Schulung der Patienten übernehmen und bei Bedarf deren Ansprechpartner sein.
Pro Bezirk eine Stelle
Nun unternehmen die Befürworter dieser Lösung einen neuerlichen Anlauf. „Bis zur nächsten Sitzung der Landeszielsteuerungskommission im Mai wollen wir ein abstimmungsreifes Konzept vorlegen“, kündigt Oberarzt Alexander Vonbank, Leiter der Diabetesambulanz im LKH Feldkirch, an. Die Chancen auf Umsetzung bezeichnet er als aussichtsreich. Es habe bereits gute Gespräche zwischen dem Land und der ÖGK gegeben. Was noch geklärt werden müsse ,sei die Finanzierung, aber: „Wir waren mit dem Vorhaben noch nie so weit“, attestiert Vonbank auch Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher großes Bemühen in dieser Sache. Der Plan sieht pro Bezirk eine Diabetesberatung sowie Online-Anlaufstelle vor. Die Zuweisung soll durch den niedergelassenen Arzt erfolgen. „Nicht nur Schulungen wären in diesem Rahmen möglich, sondern auch andere Assistenzleistungen“, nennt Ruth Giesinger die Fußuntersuchung, die zur Jahresuntersuchung gehört, als Beispiel.
Die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet seit bald 20 Jahren in der Diabetesambulanz und hat miterlebt, wie der Betreuungsaufwand von Diabetes-
patienten im klinischen Alltag gestiegen ist. In Feldkirch gehen jährlich rund 8000 Diabetiker durch die Hände des Ambulanzpersonals. „Etwa 1500 von ihnen könnten durch niedergelassene Diabetesberatende betreut werden“, sagt Alexander Vonbank. Das würde die Ambulanz entlasten, es bliebe mehr Zeit für die komplexen Fälle. „Gleichzeitig könnte Gesundheitsförderung betrieben werden“, führt Ruth Giesinger einen weiteren Vorteil der externen Begleitung an, die sie außerdem als niederschwelliger einstuft. Gerade bei familiärer Belastung wäre ein frühes Eingreifen möglich.
Sprechstunde und Qualitätszirkel
Alles in allem sehen Ruth Giesinger, Alexander Vonbank und Joe Meusburger das Vorhaben als Qualitätsverbesserung in der Betreuung von Diabetespatienten.
Sie betonen auch, dass es nicht um Konkurrenz, sondern um Zusammenarbeit gehe. Schon jetzt können niedergelassene Ärzte schwierige Fälle im Rahmen einer Sprechstunde mit Fachleuten der Diabetesambulanz besprechen. Zudem finden dreimal jährlich Qualitätszirkel mit interessierten Allgemeinmedizinern statt. Begonnen wurde mit zwölf, inzwischen sind es schon 25 Teilnehmer. „Der Bedarf ist also da“, konstatiert Vonbank. Die häufigste Form des Diabetes ist der Typ 2, früher Altersdiabetes genannt. Allerdings werden die Typ- II-Betroffenen mittlerweile immer jünger, was vor allem dem zunehmenden Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen geschuldet ist. Laut dem Arzt hat diesbezüglich auch die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. VN-MM
„Bis zur nächsten Sitzung im Mai wollen wir ein abstimmungsreifes Konzept vorlegen.“
Diabetes-Infotag
Termin Samstag, 22. April 2023, von 10 bis 17 Uhr
Veranstaltungsort Arbeiterkammer Feldkirch, Widnau 2 bis 4
Referenten Nikolaus Burtscher (Vorstellung Selbsthilfe Vorarlberg und Diabetes Selbsthilfe); OA Alexander Vonbank (Diabetes Update 2023); Prof. Sabine Hofer (Kleine Schritte – große Wirkung); Prof. Christoph Säly (Ziele bei Typ-2-Diabetes); Dr. Teresa Fandl (Diabetes und Augenerkrankungen); Sozialpädagogin Isa Schwärzler (Psychosoziale Aspekte bei Diabetes)