Ein wichtiger Blick ins Hirn

Gesund / 30.06.2023 • 11:20 Uhr
Simon Fandler-Höfler hat sich mit dem Risiko von Hirnblutungen beschäftigt. 
Simon Fandler-Höfler hat sich mit dem Risiko von Hirnblutungen beschäftigt. 

MRT-Untersuchungen können laut Studie das Risiko von Hirnblutungen aufzeigen.

Graz Wenn man von einem Schlaganfall spricht, ist meistens der ischämische Schlaganfall gemeint, bei dem eine Arterie im Gehirn verstopft wird und betroffene Hirn­areale daraufhin nicht mehr mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden. Die Gehirnblutung ist eine andere Form dieses medizinischen Notfalls, bei der es zum Platzen eines Blutgefäßes kommt. In der Folge kommt es nicht nur zu einer Schädigung von Gehirnzellen durch die Blutung selbst, der dadurch entstehende Druck kann zu zusätzlichen Schäden am Gehirn führen. Eine Studie von Wissenschaftlern der Med Uni Graz rund um Simon Fandler-Höfler von der Universitätsklinik für Neurologie hat sich mit dem Risiko von Hirnblutungen beschäftigt und damit, wie die Bildgebung mittels Magnet­resonanztomographie (MRT) die Risikoeinschätzung der Patienten unterstützen kann.

Eine Frage des Zeitpunkts

Der Status quo: Die Gehirnblutung tritt in Österreich rund 3000 Mal jährlich auf und stellt gemeinsam mit anderen Schlaganfallformen die dritthäufigste Todesursache dar. Menschen, die eine solche Gehirnblutung überlebt haben, haben generell ein erhöhtes Risiko, eine weitere Blutung zu erleiden. Häufig wäre aber aus Gründen anderer Erkrankungen die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten (Thrombozytenaggregationshemmung oder Antikoagulation) notwendig, was zu einer schwierigen Risikoabwägung führen kann, da diese eine Gehirnblutung verschlimmern können.

Die kürzlich im Journal Neurology veröffentlichte Forschungsarbeit von Simon Fandler-Höfler von der Med Uni Graz beschäftigt sich damit, wie basierend auf MRT-Bildern das Wiederauftreten weiterer Hirnblutungen vorhergesagt werden kann.

Für die Studie wurden die Daten von 443 Patienten mit Gehirnblutungen analysiert, basierend auf den MRT-Bildern der Patienten die Ursachen der Blutungen untersucht und geprüft, welche dieser Krankheiten das größte Risiko bergen, eine erneute Gehirnblutung hervorzurufen. Die meisten dieser Notfälle werden laut Med Uni Graz durch sogenannte zerebrale Mikroangiopathien verursacht, eine Gruppe von Erkrankungen, die zu Schädigungen kleiner Blutgefäße im Gehirn führen. „Oftmals wird eine Gehirnblutung nur hingenommen und ihre Ursachen nicht weiter untersucht. Dabei kann gerade die Feststellung der Grunderkrankung viele Informationen zu Prognose und Risiko erneuter Gehirnblutungen bieten“, erläutert Simon Fandler-Höfler.

Besonders hoch sei die Gefahr eines erneuten Auftretens bei der zerebralen Amyloidangiopathie, bei der es über chronische Prozesse zu Schädigungen von kleinsten Hirngefäßen und daraus folgend zu Blutungen kommen kann. Aber auch bei anderen Ursachen, wie der sogenannten hypertensiven zerebralen Mikroangiopathie, könne dank moderner Bildgebung das individuelle Risiko einer erneuten Gehirnblutung gut eingeschätzt werden. Die Diagnose dieser Erkrankungen wird in der Regel mittels MRT des Gehirns erstellt, wobei in einer zweiten, separaten Forschungsarbeit gezeigt werden konnte, welche Diagnosekriterien der zerebralen Amyloidangiopathie für das Risiko einer erneuten Gehirnblutung besonders relevant sind.

Risikoeinschätzung

Das Fazit der Studie: Anhand der MRT kann eine gute Einschätzung des Risikos erneuter Hirnblutungen erfolgen, je nach Kombination von Ursache und MRT-Veränderungen kann dieses Risiko zwischen 61 Prozent und unter ein Prozent über fünf Jahre liegen. Patienten mit sogenannten kryptogenen Hirnblutungen, bei denen trotz ausführlicher Untersuchung keine Ursache festgestellt werden konnte, hatten ein äußerst geringes Risiko einer erneuten Hirnblutung.

„Die individuelle Einschätzung des Risikos kann mittels MRT erfolgen und hat zusätzlich zur unmittelbaren Bedeutung für die betroffenen Patienten auch oft direkte Implikationen für Entscheidungen in der medikamentösen Therapie“, fasst Simon Fandler-Höfler zusammen.