Ambulanter Bereich und Inklusion: “Sparen ja, aber nicht so”

Gesund / 03.07.2025 • 10:37 Uhr
Ambulanter Bereich und Inklusion: "Sparen ja, aber nicht so"
Mehrere Russpreisträgerinnen und -träger warnen vor Rückschritten statt einem Strukturwandel. VN, HK Architekten

Mehrere Russpreisträgerinnen und -träger zeigen sich angesichts der Maßnahmen im Sozialbereich “besorgt”.

Schwarzach 2024 wurde der Dr-Toni-und-Rosa-Russ-Preis und -Ring an Judith Bechtold und Ingrid Rüscher verliehen, um ihren Einsatz für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen zu würdigen. Ein Jahr darauf sehen sie durch den Spardruck durch die öffentliche Hand viele der Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte bedroht – und erhalten Unterstützung aus den Reihen der Preis- und Ringträger.

Neben Bechtold und Rüscher zeigen sich auch Rolf Aberer, Hildegard Breiner, Eva Grabherr, Hermann Kaufmann, Anton “Husky Toni” Kuttner und Susanne Marosch besorgt, “dass durch die Einsparungen kein Strukturwandel, wie von der Politik versprochen, sondern vor allem Rückschritte erreicht werden.”

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“Inklusion, das bedeutet im Alltag: selbstverständlich im Kindergarten des Ortes willkommen sein, die Schule mit Geschwistern und Nachbarskindern besuchen, eine sinnvolle, den Fähigkeiten angepasste Arbeit/Beschäftigung (SPAGAT-Arbeitsplätze) oder Lebensstruktur inklusive Freizeit und Wohnen dort aufbauen, wo die sozialen Bezüge sind – mit den notwendigen Rahmenbedingungen und er nötigen Unterstützung”, erinnern sie in einem gemeinsamen Statement. “In den letzten 30 Jahren sind zwar viele inklusive Lebenswege gemeinsam mit Unterstützer:innen ermöglicht worden, aber selbstverständlich sind sie nicht.” Immer noch hänge dies vom Engagement der Beteiligten ab, die Strukturen vom Kindergarten bis zur Erwachsenen-Lebensstruktur seien fragil. “Kürzungen im ambulanten Bereich und bei schulischer Assistenz gefährden in hohem Maß das Bemühen um Inklusion.”

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Diese bedrohen nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern eine immer älter werdende Gesellschaft. Das Angebot müsse den Menschen im Fokus haben, dies sei auch im Sinne der Gemeinschaft, sollen Pflegeheime weiterhin eine Alternative zu einem selbstständigen und selbstbestimmten Leben bleiben. “Dass sich unser soziales Netz verändern muss, zeigt sich sowohl an diesem Anspruch als auch am Kostendruck, der auf dem aktuellen Netz liegt. Unsere Warnung ist jedoch, dass bei allem Sparzwang auch die Stoßrichtung stimmen muss. Derzeit vermissen wir dieses Sparen mit Ziel und Zweck in den bekannt gewordenen Maßnahmen”, erklären die Russpreisträgerinnen und -träger. “Entsprechend unser Appell an die Politik und die involvierten Vereine, Unternehmen und Angebotsträger: Sparen ja, aber nicht so. Sparen ja, aber nicht an jenen Strukturen, die uns alle ein Leben in Würde und Selbstständigkeit ermöglichen. Sparen ja, aber nicht an Inklusion und Teilhabe aller.”

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Der Appell im Wortlaut

Vor einem Jahr ist der Dr.-Toni-und-Rosa-Russ-Preis an DI Judith Bechtold und Ingrid Rüscher für ihren Einsatz für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen verliehen worden. Inklusion, das bedeutet im Alltag: selbstverständlich im Kindergarten des Ortes willkommen sein, die Schule mit Geschwistern und Nachbarskindern besuchen, eine sinnvolle, den Fähigkeiten angepasste Arbeit/Beschäftigung (SPAGAT-Arbeitsplätze) oder Lebensstruktur inklusive Freizeit und Wohnen dort aufbauen, wo die sozialen Bezüge sind – mit den notwendigen Rahmenbedingungen und er nötigen Unterstützung. Das klingt überzeugend, die Realität ist eine andere. In den letzten 30 Jahren sind zwar viele inklusive Lebenswege gemeinsam mit Unterstützer:innen ermöglicht worden, aber selbstverständlich sind sie nicht. Noch immer sind sie verknüpft mit hohem Engagement von Eltern, sie sind fragil, fällt ein Puzzleteil weg, ist nicht selten die gesamte Struktur gefährdet, das gilt für Kindergärten und Schulen ebenso wie für die Erwachsenen-Lebensstruktur. Kürzungen im ambulanten Bereich und bei schulischer Assistenz gefährden in hohem Maß das Bemühen um Inklusion.

Angesichts der finanziellen Einschnitte im Bereich der Teilhabe und Inklusion der Menschen mit Beeinträchtigung in Vorarlberg sind wir, die “Familie” der Dr-Toni-und-Rosa-Russ-Preis und -Ringträgerinnen und -träger, besorgt. Besorgt, dass durch die Einsparungen kein Strukturwandel, wie von der Politik versprochen, sondern vor allem Rückschritte erreicht werden.

Unser soziales Netz muss sich verändern – nicht nur für die Menschen mit Beeinträchtigung, sondern auch für eine immer älter werdende Gesellschaft. Das Ziel muss ein Angebot sein, das den einzelnen Menschen im Fokus hat. Ein Angebot, das über die Institutionen hinweg so lange und so gut wie möglich ein Leben im gewohnten Umfeld ermöglicht. Dies entspricht nicht nur den Wünschen der Betroffenen, sondern auch der Gesellschaft. Schließlich sollen auch künftig Pflegeheime nur eine Alternative zu einem selbstständigen und selbstbestimmten Leben im Alter oder Krankheit sein.

Dass sich unser soziales Netz verändern muss, zeigt sich sowohl an diesem Anspruch als auch am Kostendruck, der auf dem aktuellen Netz liegt. Unsere Warnung ist jedoch, dass bei allem Sparzwang auch die Stoßrichtung stimmen muss. Derzeit vermissen wir dieses Sparen mit Ziel und Zweck in den bekannt gewordenen Maßnahmen. Entsprechend unser Appell an die Politik und die involvierten Vereine, Unternehmen und Angebotsträger: Sparen ja, aber nicht so. Sparen ja, aber nicht an jenen Strukturen, die uns alle ein Leben in Würde und Selbstständigkeit ermöglichen. Sparen ja, aber nicht an Inklusion und Teilhabe aller.