Ein berührendes Buch mit Erinnerungen an die KZ-Zeit
St. Gerold „Mit den Erinnerungen von Lotte Dorowin-Zeissl an ihre Gefangenschaft im besetzten Frankreich und im KZ Ravensbrück begegnen wir einer Frau, die tiefstes Elend und höchste Freude erlebt hat. Sie hat viel Zeit hier in der Propstei verbracht, da ihre Tochter Irene Dworak-Dorowin direkt in der Nachbarschaft lebt. Zwei Dinge haben Lotte Dorowin-Zeissl auch in ihrer schwersten Zeit Kraft gegeben: ihr tiefer, unerschütterlicher Glaube und ihre Hingabe in ihre Freundschaften. Diese Merkmale sollen auch die Propstei St. Gerold prägen“, erklärte Propst Martin Werlen anlässlich der Buchpräsentation „Zeit der Prüfungen“, die dieser Tage im Wiberhus der Propstei über die Bühne ging.
Akribische Aufarbeitung
Gerald Stourzh, ein Cousin Lotte Dorowin-Zeissls, hat das Buch herausgegeben. Er war trotz seines hohen Alters bei der Präsentation anwesend und hielt eine sehr prägnante Rede. „Ich hatte ein sehr enges und herzliches Verhältnis zu Lotte. Mir war es ein großes Anliegen, ihre Schriften zusammenzutragen und herauszubringen. Eine wertvolle Hilfe war mir dabei meine Nichte Irene, aber auch das Ehepaar Feinig, die viele Tonbänder akribisch transkribiert haben. Lotte hat in einer unglaublichen Dichte alles gesagt, was sie zu sagen hatte“, betonte der emeritierte Professor an der Universität Wien. Die Berichte thematisieren dabei die sozialen Strukturen und Hierarchien im Konzentrationslager sowie die schwierigen Bedingungen nach der Befreiung.
Emotionale Herausforderung
Das Buch ist ein Zeitdokument und gleichzeitig eine scharfsinnige Analyse der Lebensrealität weiblicher Gefangener. Auch Irene Dworak-Dorowin erzählte von ihren Erinnerungen an ihre Mutter: „Trotz ihren traumatischen Erfahrungen war meine Mutter ein sehr positiver Mensch. Es ist erschreckend, welche Nähe das Böse und die Harmonie haben.“ Es sei eine emotionale Herausforderung gewesen, sich mit den Texten ihrer Mutter auseinanderzusetzen. Als Künstlerin habe sie diese Erfahrung in ihren Bildern verarbeitet, von denen übrigens einige auf der Präsentation zu sehen waren.
In Ergänzung zu den bewegenden Schilderungen und Worten las Schauspielerin und Regisseurin Brigitte Walk sehr ergreifende Passagen aus den Erinnerungen von Lotte Dorowin-Zeissl. Die Lesung wurde dabei sehr feinfühlig von Nikolaus Feinig am Kontrabass untermalt.
Propst Martin Werlen meinte abschließend: „Dieses Buch schildert Erfahrungen, die berühren. Begegnungen, die berühren, machen unser Menschsein aus. Das Buch ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir achtsam sein sollen, damit sich solche menschenverachtenden Systeme nicht mehr wiederholen.“ BI