Warum die Gemeinden jetzt investieren sollten

Studie: Investitionen in die Daseinsvorsorge sind Investitionen in die Zukunft
Investieren Die Coronapandemie und der Ukraine-Krieg sorgen derzeit für eine Doppelkrise. Eine aktuelle Studie rät Gemeinden deshalb dazu, sich daraus „herauszuinvestieren“. Geld sollte etwa für leistbaren, sozial durchmischten Wohnraum, thermische Sanierung von öffentlichen Bauten und öffentliche Verkehrsinfrastruktur in Vororten und kleineren Städten ausgegeben werden. Außerdem sollte die digitale Infrastruktur in peripheren Gebieten ausgebaut, die Verwaltung digitalisiert und die Cybersicherheit in der Daseinsvorsorge gestärkt, Bildungsangebote insbesondere im Bereich der digitalen Kenntnisse von Frauen und Jugendlichen mit niedriger formaler Bildung geschaffen sowie die öffentliche Gesundheitsversorgung besser finanziert werden. Ein Investitionsstau wie nach der Finanzkrise 2009 aufgrund einer fehlgeleiteten Sparpolitik sollte dieses Mal tunlichst vermieden werden, heißt es vonseiten der Studienautoren. „Gerade die Gemeinden können einen großen Beitrag leisten, die fragile Konjunkturentwicklung zu stabilisieren, den Kampf gegen den Klimawandel zu forcieren und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern – etwa russischem Erdgas – zu reduzieren“, sagt wiiw-Direktor und Studien-Coautor Mario Holzner. Das wiiw ist ein
wirtschaftswissenschaftlicher Think Tank, der seit fast 50 Jahren volkswirtschaftliche Analysen und Prognosen zu derzeit 23 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas erstellt. Zudem betreibt das wiiw Forschung zu Makroökonomie, Handelsfragen, Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen, zum europäischen Integrationsprozess, zu Regionalentwicklung, Arbeitsmärkten, Migration und Einkommensverteilung.
Klima- und Energieplan
Ein gutes Beispiel, um sich aus der Krise „Herauszuinvestieren“, ist der Gebäudesektor. In Österreich befindet sich fast die Hälfte der nutzbaren Wohnfläche in Gebäuden, die vor 1970 errichtet wurden. Hier ließe sich mit thermischen Sanierungen viel CO2 einsparen. Der noch vor der Covid-19-Krise und dem Green New Deal der EU-Kommission präsentierte Nationale Klima- und Energieplan der Bundesregierung veranschlagte den Gesamtinvestitionsbedarf für thermische Gebäudesanierungen bis 2030 auf immerhin 16,2 Milliarden Euro.
Leistbarer Wohnraum
Aber auch leistbarer Wohnraum braucht öffentliche Investitionen. Die Wohnkosten haben in den vergangenen Jahren rasant angezogen. Investitionen in leistbaren neuen Wohnraum könnten Wohnen auch für weniger einkommensstarke Schichten erschwinglicher machen. Eine Sanierungsoffensive würde auch die Beschäftigung signifikant erhöhen. Kommunale öffentliche Investitionen und die Förderungen von Sanierungen haben eindeutig positive wirtschaftliche Effekte. „Angesichts stark steigender Mieten, die vor allem sozial schwache Menschen treffen, ist die Schaffung von leistbarem Wohnraum die wahrscheinlich größte Herausforderung für jede größere Stadtgemeinde“, sagt Thomas Bohrn, Leiter des Büros für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft der Stadt Wien.
Vororte an Öffis anbinden
Ein starkes Gefälle gibt es gemäß der Studie beim öffentlichen Verkehr. Hier besteht ein starkes Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie: In Kleingemeinden mit weniger als 500 Einwohnern wohnen weniger als zehn Prozent in der Nähe öffentlicher Verkehrsmittel. In Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern ist der Anteil größer als 90 Prozent, in Wien beträgt er 100 Prozent – ein ähnliches Bild wie beim Breitbandausbau. Auch wenn Haushalte in ländlichen Gemeinden bisher weniger als ihre urbanen Pendants für Verkehr ausgegeben haben, könnte sich das angesichts stark steigender Energiepreise ändern. Individualverkehr wird teurer, das hat auch soziale Auswirkungen. Besonders in kleinen Städten und Vororten sind Investitionen in die Verkehrsanbindung sinnvoll, da sie sich in unmittelbarer Nähe zum öffentlichen Verkehr großer Städte befinden.
Spielräume für Investitionen
Generell brauche es einen Paradigmenwechsel, ist Holzner überzeugt. „Gerade in der Finanzkrise sieht man, dass Sparpolitik das Wachstum abwürgt. Natürlich ist das kein Plädoyer für ungebremstes Schuldenmachen. Aber es braucht Spielräume für Investitionen“, sagt Holzner. So könnten etwa bestimmte Investitionen nicht als Schulden eingestuft werden. Nicht zuletzt auch im öffentlichen Gesundheitswesen sind Investitionen notwendig, wie die Coronakrise gezeigt hat. Beispielsweise für mehr Pflegepersonal in den Krankenhäusern oder um mehr Psychotherapiemöglichkeiten anbieten zu können.