Als Segler den Dampfer retteten

Heimat / 23.08.2023 • 10:44 Uhr
Als Segler den Dampfer retteten
„Heimweh abstreifen“ war anlässlich einer Festspielfahrt für Lore Benger angesagt. Mit an Bord die Familie ihres Sohnes Martin sowie Adi Konstatzky (l.) und Martin Uhlig (r.). STP

Vor 60 Jahren erwarb der Bregenzer Segelclub die Hohentwiel als Klubheim.

Bregenz Seit die Hohentwiel 1990 zur zweiten Jungfernfahrt ausgelaufen ist, zählen die Festspielfahrten zu den Highlights jeder Dampfersaison – und sie erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, wie Kapitän Robert Kössler mit einem Blick ins Logbuch bestätigt. „Wir haben heuer mit 16 Festspielfahrten an der Seebühne angelegt – mehr geht kaum, weil wir ja während der Festspielzeit auch andere Fahrten durchführen.“

Erinnerungsfoto an eine atemberaubende Stimmung – Martin Benger hält seine Familie – Gattin Karin, Tochter Lina, Mutter Lore – im Sonnenuntergang auf dem Bodensee fest.<br>
Erinnerungsfoto an eine atemberaubende Stimmung – Martin Benger hält seine Familie – Gattin Karin, Tochter Lina, Mutter Lore – im Sonnenuntergang auf dem Bodensee fest.

„Heimweh abstreifen“

Ein Gutteil der Fahrgäste, die nach Rundfahrt samt speziellem Festspielmenü die Seeaufführung besuchen, sind Stammgäste, die diesen Abend seit vielen Jahren als eine Art sommerlichen Pflichttermin genießen. Ein Teil der Fahrten wird von Firmen komplett gechartert. Und manchmal kann die Crew besondere Passagiere an Bord begrüßen – Zeitzeugen, die davon berichten können, wie es damals war, als die Hohentwiel nur noch eine Haaresbreite vor der Verschrottung stand.

Lore Benger: „Dass der Segelclub vor 60 Jahren die Hohentwiel gekauft hat, wurde zum Glücksfall.“
Lore Benger: „Dass der Segelclub vor 60 Jahren die Hohentwiel gekauft hat, wurde zum Glücksfall.“

Eine, die gerne zum „Heimweh-Abstreifen“ an Bord kommt, ist Lore Benger, deren 2018 verstorbener Gatte Klaus von 1956 bis 1961 dem Bregenzer Segelclub vorstand und ab 1961 als Stellvertreter seines Nachfolgers Helmut Warnecke die Geschicke des Vereins weiter maßgeblich mitgestaltete. Sie kann sich noch ganz genau an die spannende Zeit erinnern kann, als die Hohentwiel nach Bregenz kam.

Spiel auf dem See und die Einstimmung dazu auf einer Festspielfahrt sind für viele Tradition. Heuer legte die Hohentwiel gleich 16 Mal an der Seebühne an.
Spiel auf dem See und die Einstimmung dazu auf einer Festspielfahrt sind für viele Tradition. Heuer legte die Hohentwiel gleich 16 Mal an der Seebühne an.

Eine Art zweites Wohnzimmer

Ende der 1950er-/Anfang der 1960er-Jahre war für die Wassersportler in Bregenz eine richtungsweisende Zeit. Nicht nur für die Segler, auch für den Motorbootverein und den Ruderverein Wiking wurde mit dem Sporthafen eine zeitgemäße Heimstätte geschaffen.

Eine spezielle Beziehung zur Hohentwiel hat der Maturajahrgang 1964/65 der Bregenzer Handelsakademie: Schon vor der offiziellen Restaurant-Eröffnung feierten die angehenden Maturantinnen und Maturanten im Mai 1964 an Bord des Dampfers das erste Fest und kehrten zum 25-jährigen Maturajubiläum auf „ihr Schiff“ zurück (Bild) – nur wenige Tage nach der zweiten Jungfernfahrt im Mai 1990.
Eine spezielle Beziehung zur Hohentwiel hat der Maturajahrgang 1964/65 der Bregenzer Handelsakademie: Schon vor der offiziellen Restaurant-Eröffnung feierten die angehenden Maturantinnen und Maturanten im Mai 1964 an Bord des Dampfers das erste Fest und kehrten zum 25-jährigen Maturajubiläum auf „ihr Schiff“ zurück (Bild) – nur wenige Tage nach der zweiten Jungfernfahrt im Mai 1990.

„Was uns fehlte“, so Lore Benger, „war ein Klubheim“. In der Chronik der Hohentwiel wird die Rettung des Dampfers auf das Jahr 1984 datiert. „In Wirklichkeit wurde das Schiff aber schon 1963 vor der Verschrottung gerettet, als Helmut Warnecke, mein Gatte und weitere Vereinsfunktionäre nach Konstanz gefahren sind, um die ausgemusterte Hohentwiel zu erwerben und nach Bregenz zu holen.“

Es war ein finanzieller Kraftakt, wie Tilman Kuner in der Vereinschronik festhält: In der Vereinskassa lagen bescheidene 3.400 Schilling, die in kurzer Zeit durch Spenden auf den verlangten Kaufpreis von 21.000 DM aufgestockt werden mussten. Rund ein Jahr lang wurde umgebaut, ein Teil des Dampfers, der im Sporthafen vertäut war, wurde ab 1964 als Klubheim und Depot genützt, der andere als öffentlich zugängliches Restaurant. „Rund 20 Jahre lang habe ich bis zum Verkauf des Dampfers an den Hohentwiel-Verein viel Zeit auf dem Schiff verbracht“, erzählt Lore Benger, für die der Dampfer fast so etwas wie das zweite Wohnzimmer geworden war.

Damals hätte man sich nicht im Traum vorstellen können, dass aus dem Klubheim einmal der Stolz des Bodensees werden würde. Und wenn Lore Benger so erzählt und ins Schwärmen kommt, dann klingt auch ein wenig Stolz mit, dass es eigentlich die Segler waren, die vor 60 Jahren den entscheidenden Beitrag zur Rettung der Hohentwiel leisteten. Das bestätigt auch Martin Uhlig, der 1984 die Bauaufsicht bei der Restaurierung übernahm: „Ohne den Segelclub gäbe es die Hohentwiel nicht mehr.“ STP

. . . und auch zum 40-Jahr-Jubiläum stand eine Dampferfahrt auf dem Programm.
. . . und auch zum 40-Jahr-Jubiläum stand eine Dampferfahrt auf dem Programm.