Ein Diebstahl, der verbindet: Der Bratenklau von Röns

Beim Bratenklau herrscht Ausnahmezustand. Der Brauch, bei dem die Einwohner gegeneinander antreten, um den Braten zu verteidigen, bringt Dorfbewohner zusammen.
in Zusammenarbeit mit Leon Linher
Röns In der flächenmäßig kleinsten Vorarlberger Gemeinde, Röns, erweckt am „schmutziga Donnstig“ eine außergewöhnliche Tradition zum Leben: der Bratenklau. An diesem Tag, der im kleinen Bergdorf als inoffizieller Staatsfeiertag gilt, schließen alle Firmen ihre Türen, um den Einwohnern die Teilnahme an diesem kuriosen Brauch zu ermöglichen. Selbst die Mitarbeiter der Keckeis Tischlerei werden an dem Tag von ihrem Chef Wolfgang Keckeis freigestellt, um das Fest in vollen Zügen feiern zu können.

Angeführt von den örtlichen Bratenstehlern, Manuel Barwart und Dominik Fresser, ziehen die Narren durch das Dorf, um aus 45 der insgesamt 120 Haushalte den begehrten Braten zu entwenden. Mit knapp 400 Einwohnern ist Röns nicht nur flächenmäßig die kleinste Gemeinde in Vorarlberg, sondern beherbergt auch den kleinsten Umzug im Land. Der gestohlene Braten wird am Abend bei einem gemeinsamen Bratenschmaus im Schulsaal verspeist, ein Akt, der den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft stärken soll.

Mathias Muther, Pressesprecher des Bratenstehlens in Röns, erzählt mit einem Augenzwinkern: “Man kommt dann auch in Häuser, in denen wir sonst das ganze Jahr nicht zu Gast sind. Das Bratenklauen gehört bei uns zur Tradition. Wir lassen dann auch immer wieder die alten Geschichten, wie es früher so war, hochleben.”

Die Bewohner haben im Laufe der Jahre kreative Methoden entwickelt, um ihre Braten zu verteidigen: Vom Entfernen der Verankerung und Anketten der Herde bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen, bei denen Hausfrauen die Diebe zu Boden werfen und festhalten – die Dorfbewohner zeigen vollen Einsatz, um ihren Gaumenschmaus zu verteidigen und es den Stehlern nicht allzu einfach zu machen.

Die Tradition des Bratenstehlens wird in Röns seit über 50 Jahren gepflegt. Die Veranstaltung wird von den Rönser Faschingsnarren, einer Gruppe von etwa 30 Mitgliedern, organisiert und findet mit Unterstützung der Feuerwehr sowie der Funkenzunft statt.

Mit einem eigens umgebauten Faschingswagen, der mit über 40 Musikboxen und sogar einer eigenen Toilette komplettiert wird, ziehen die Faschingsnarren durch das Dorf. Der Wagen, dessen Umbau einen Sommer lang dauerte und Materialkosten von rund 20.000 Euro verschlang, wird nach einer Rundfahrt durch das Dorf vor der Kirche abgestellt, bevor er am Nachmittag im Zentrum des Geschehens steht. Sogar die “Moaniger Waldhexa” reisen extra für den kleinsten Umzug im Lande in das Bergdorf.


“Der Bratenklau ist mehr für uns als nur ein Faschingsbrauch. Es ist eine Demonstration des Gemeinschaftsgefühls und der Lebensfreude”, betont der Pressesprecher. Ein Diebstahl, der verbinden soll, ein Fest, das erinnern soll.











