Ein Plädoyer für Offenheit und Toleranz

Der Kammerchor Vocale Neuburg bringt mit „Considering Matthew Shepard“ ein sehr berührendes Musical-Oratorium zur Aufführung.
GÖTZIS Der Kammerchor Vocale Neuburg wagt sich mit seinem aktuellen Musical-Oratorium „Considering Matthew Shepard“ an ein recht herausforderndes Stück, das am kommenden Wochenende erstmals in Österreich zur Aufführung kommt. Der engagierte Chorleiter Oskar Egle hat auch die Gesamtleitung inne.
Wie sieht die Hintergrundgeschichte dieses Musical-Oratorium aus?
EGLE Die Entstehung dieses Werks geht auf einen tragischen Vorfall zurück. Der 21-jährige Matthew Shepard studierte 1998 in der Kleinstadt Laramie, im ländlichen Wyoming. In der Nacht vom 6. Oktober wurde er von zwei jungen Männern aus einer Bar entführt, in der Prärie an einen Weidezaun gefesselt, dort brutal verprügelt und zum Sterben liegengelassen. Dieses grausame Verbrechen rüttelte viele Menschen in den gesamten USA auf und führte später zur Verschärfung der Gesetze gegen „Hate-Crimes“.

Die Komposition zu dieser aufwühlenden Geschichte erfolgte zwanzig Jahre später?
EGLE Auch Craig Hella Johnson, selbst homosexuell, war damals tief betroffen und verarbeitete diese Geschichte musikalisch mit einem abendfüllenden Musical-Oratorium, das 2016 in den USA uraufgeführt wurde. Wort und Musik bilden dabei ein Patchwork, neben Texten von Hildegard von Bingen, Lesléa Newman, Michael Dennis Browne oder Rumi finden sich Passagen aus Matthews Tagebuch, aus Interviews mit seinen Eltern und aus Zeitungsberichten. Die Grundstruktur dieses Oratoriums ähnelt Johann Sebastian Bachs Passionsmusiken. Die erzählte Story wird durch Chöre und Songs kommentiert und reflektiert. Stilistisch bedient sich Johnson dabei einer bunten Palette aus Jazz, Gospel, Country, Blues, gregorianischem Choral und Pop, die er mit Genres vom Barock bis zur klassischen Oper kreuzt.
Wie würden Sie die Kernthemen dieses Werks benennen?
EGLE Es ist ein Plädoyer für Offenheit und Toleranz. Musik ist wunderbar dafür geeignet diese Tragödie erfassen, zu verwandeln und zu überwinden. Sie führt uns von der Trauer zu einem höheren Verständnis des menschlichen Daseins. Die Thematik, das Verständnis gegenüber diversen sexuellen Orientierungen zu fördern, scheint aktueller denn je zu sein.
Welche Überlegungen haben dich veranlasst, das Werk mit Vocale Neuburg als österreichische Erstaufführung in den Konzertsaal zu bringen?

EGLE Dieses Musical-Oratorium wird vor allem in den USA und dort wiederum vorwiegend von Universitätschören aufgeführt. Als Chorleiter, der einen leistungsfähigen und vor allem auch aufgeschlossenen Chor musikalisch begleiten darf, ist man immer auf der Suche nach neuen, interessanten Werken. Zudem liebe ich die Abwechslung in der Programmierung von Chorkonzerten. In diesem Musical-Oratorium spielt der Chor eine ganz wichtige und wesentliche Funktion. Der Chor hat hier eine echte Hauptrolle. Das gefällt mir – aber das fordert uns auch.
Wie sehen die besonderen Herausforderungen für den Chor aus?
EGLE Es ist vor allem eine logistische Herausforderung, da es in diesem Stück alleine im Chor unterschiedlichste Besetzungen gibt: von einstimmigen Stellen bis hin zu sechsstimmigen, achtstimmigen, doppelchörigen Teilen und gegen Ende dann sogar noch ein zwölfstimmiger Abschnitt. Eine weitere Herausforderung ist der Ambitus, der den Sängern abverlangt wird: von höchsten Höhen bis in tiefste Lagen hinunter. Der englische Text basiert teilweise auf literarischen Texten, welche sprachlich nicht immer ganz einfach sind. Auch in rhythmischer Hinsicht ist der Chor sehr gefordert. Alles in allem ist das Oratorium „Considering Matthew Shepard“ und seine Aufführung eine sehr schöne und erfüllende Aufgabe für den Chor.
Was darf sich das Publikum von diesen beiden Konzertabenden erwarten?
EGLE Abwechslungsreiche, musikalische Beiträge, eine berührende Geschichte, ein Abend mit vielen emotionalen Höhepunkten – man hört Schmerz und Zweifel genauso wie Hoffnung und Liebe. Ein Abend, der nicht nur die Ohren, sondern auch die Herzen berührt. Diesem Werk liegt eine Kraft inne, die unsere Gesellschaft zum Guten verändern kann. BI
zur person
OSKAR EGLE
GEBOREN 12. August 1960 in Dornbirn
FAMILIE verheiratet, zwei Kinder
WOHNORT Koblach
BERUF Pensionist seit Herbst 2022, vorher Mittelschullehrer
HOBBYS Musik, Chor, Garten, Wandern
Die Aufführungen finden am Freitag, 14. Juni um 20 Uhr und am Samstag, 15. Juni, ebenfalls um 20 Uhr auf der Kulturbühne AMBACH in Götzis statt. Kartenvorverkauf: www.vocale-neuburg.com, 0670 4030051