„Hallo, Merhaba und Welcome“

„Wo, bitte, ist Cansu Yıldıran?“, fragten sich Vernissagebesucher in der Remise.
BLUDENZ „Ja wo ist sie bloß, die ausstellende Künstlerin”, rätselte das Publikum bei der neulich gefeierten Vernissage zur Kunstausstellung „Shelter” der Fotografin Cansu Yıldıran im Kunstraum Remise in Bludenz. Es war ein Event mit einem Wermutstropfen, denn die Künstlerin konnte nicht anwesend sein, weil sie „leider kein Visum bekommen hatte”, erklärte die Kuratorin des Vereins allerArt Bludenz, Luka Jana Berchtold. „Wir haben lange telefoniert mit dem österreichischen Konsulat in Istanbul, aber es hat nicht geklappt. Wir sind sehr traurig.”

Tröstlich: Cansu Yıldıran hatte eine gute Vertretung im Städtle – ihren Freund Serkan Kaptan, der am Aufbau der Ausstellung, die nun zu sehen ist, gerne mitgearbeitet hat. Mit der Fotografin hatte das Team des Kunstraum Remise im Vorfeld der Ausstellung viele Videokonferenzen geführt. Dem Wunsch der Künstlerin entsprechend wurden manche Dinge verändert. “Aber schlussendlich ist es so geworden, wie sie es wollte und das ist das Allerwichtigste”, betonte die Kuratorin. Den Ausführenden der „ziemlich aufwendig installierten Ausstellung”, denen der Dialog am Eröffnungsabend ausgesprochen wichtig war, gratulierte der Obmann des Vereins allerArt Bludenz, Wolfgang Mauer, zur geleisteten Arbeit. In Tages- und Nachtstunden hatten „Luka”, „Serkan” und Simon Burtscher vereint ihr Bestes zum Gelingen der Exposition gegeben.

Trans-Person verhaftet
Was die Kuratorin dieser Ausstellung besonders berührte, war, „dass man wirklich sieht, wie Freunde in unterschiedlichen Settings sich begegnen. Also es gibt diese Momente der Party, Urlaubsmomente und ich denke, dieses Empowerment kommt in der Ausstellung sehr stark herüber. Es sind aber auch sehr ikonische Bilder hier”. Luka Jana Berchtold zeigte etwa auf eine Arbeit, „die eine ,Trans-Person’ zeigt, die die Straße hinuntergeht und die Blicke ,empfängt'”. Diese Frau wurde laut der Kuratorin im Anschluss daran verhaftet. Serkan Kaptan betonte, dass für die LGBTQ-Community die Situation immer schlimmer wird.

Geboren wurde Cansu Yıldıran im Jahr 1996 in Istanbul. Als sie noch ganz jung war, zog die Familie in die bergige Region im Nordosten der Türkei. Nach Angaben der Künstlerin besuchte die Familie jeden Sommer ein Städtchen im inneranatolischen Hochland. Dort herrschten zutiefst konservative, fast schon stammesähnliche Strukturen. Noch in jugendlichem Alter verließ Cansu Yıldıran diese Region. Seither lebt und arbeitet sie wieder in der Metropole am Bosporus.

Eine Randgruppe
„Von dieser Herkunft und der Erfahrung geprägt, die Heimat bereits als Jugendliche verlassen zu haben, ist die fotografische Erforschung der menschlichen Identität und des individuellen Selbst zum Kernpunkt von Cansu Yıldırans Arbeit geworden. Das fortlaufende Projekt ,Shelter’ wächst bereits seit knapp zehn Jahren und versammelt unzählige Fotografien, die vor allem im Kreise von Cansu Yıldırans engsten Freundinnen und Freunden, die in queeren Gemeinschaften leben und in Istanbul eine Randgruppe bilden, entstanden sind”, informierten Luka Jana Berchtold sowie der Kulturkritiker, Journalist, Kurator und Schriftsteller Karlheinz Pichler.

„Die Arbeit an diesem Projekt erfolgte parallel zu Cansu Yıldırans Engagement in der Dokumentarfotografie-Szene Istanbuls und der Welt des Reportagewesens. Die Fotodokumentationen der Künstlerin berichteten über die aufgeladenen Proteste, die die türkische Gesellschaft im letzten Jahrzehnt erschütterten”, machten die allerArt Bludenz-Kuratorin und der Kulturkritiker ergänzend aufmerksam. Unter den Besuchern des Kunstabends befanden sich Kulturstadtrat Cenk Dogan, Vahide Aydın, Eva Schneider, Lothar Ämilian Heinzle, Andreas Gaßner, Hildegard Dreier mit Tochter Nina-Maria, Christine Tarmann, Karin Dür, Karin Fritz, Bernhard und Gerda Perzl, Josef und Martine Durig sowie Susanne Ammann. SCO

