Sagenumwobenes Gurtiser Schlössle

“Villa Jungbrunnen” galt lang als Geisterhaus: Urgroßenkelin forschte über ihre Vorfahren.
GURTIS Wer aufmerksam durch die Straße Muggabill in Gurtis läuft, entdeckt dabei ein Haus, dass mehr einem Schloss gleicht als einem einfachen Haus. Hier befindet sich die „Villa Jungbrunnen“, von Gurtisern auch einfach „Schlössle“ genannt. Allerlei Mythen und gespenstische Sagen ranken sich um dieses Haus. Daniela Franke, Urgroßenkelin der Besitzer vor über 100 Jahren, ging der Geschichte nun näher auf den Grund.

Die „Villa Jungbrunnen“ wurde um 1900 von der Familie Schotanus aus Holland gebaut. Im Jahr 1908 verkauften die Brüder Schotanus aber den gesamten Besitz samt Mobiliar schon wieder, wohl wegen der kalten Winter. Allerdings ging die Villa auch jetzt nicht an Einheimische, sondern an ein bemerkenswertes Ehepaar samt Familie aus Deutschland. Deren Urenkelin, Daniela Franke, begab sich heuer aus dem hessischen Heidenrod im Taunus nach Gurtis, um der Geschichte von damals etwas genauer nachzugehen.
Aus der Weltstadt nach Gurtis
Mitten aus der Metropole Berlin, in der damals schon über zwei Millionen Menschen lebten, reiste 1908 der Urgroßvater Anton Willibald Franke, Verleger von künstlerischen und kunstgeschichtlichen Werken im Verlag Fischer & Franke und zugleich Schriftsteller, mit seiner Gattin, der Schriftstellerin Else Franke und der Schwiegermutter Minna Kuhn in das einsame Bergdorf Gurtis. Dort zog das Ehepaar mit seinen acht Kindern in die leerstehende „Villa Jungbrunnen“ ein, um dort die folgenden rund 14 Jahre zu leben.

Der Wechsel aus der lauten und trubeligen Millionenstadt in das einsame Bergdorf muss das Leben der Familie völlig auf den Kopf gestellt haben und nicht leicht gewesen sein. Noch dazu rankten sich allerlei Gespenstersagen um das einsame, alleinstehende Haus. Einige davon hat der Historiker Karl Gamon in seinem Werk „Sagen und Geschichten aus Nenzing“ gesammelt. Sie erzählen von einem furchterregenden „Ma im schwarza Häs“, der sich im Haus herumgetrieben haben soll, sowie über einen ein Geist, der sich um die Villa herumgeschlichen und viele Gurtiser erschreckt haben soll. Ein couragierter Gurtiser soll sich einmal selbst in die Villa begeben haben, um festzustellen, was an den Geister- und Hexengeschichten dran ist. Mitternachts soll ihn fürchterliches Getöse aufgeschreckt haben. Nun habe niemand mehr an den Geistergeschichten aus der Villa gezweifelt.


Bibliothek in den Bergen
Die Verleger- und Schriftstellerfamilie Franke muss im „Schlössle“ auch eine beachtliche Bibliothek beherbergt haben, lange bevor es für die Dorfbewohner möglich war, in einer öffentlichen Bücherei an Weltliteratur zu gelangen. Wie in einem Zeitungsartikel aus dem Vorarlberger Tagblatt vom 19. Juni 1922 von Willibald Franke beschrieben, sprach sich dies in Gurtis bald herum und er wurde öfters von Bauern gefragt, ob diese sich Bücher ausleihen könnten. Nach und nach kamen mehrere Gurtiser und klopften wegen eines Buches an. Sie freuten sich über Sagen und Märchen. Einmal klopfte eine Bäuerin, bat um ein Buch und brachte einen Eimer Milch mit, um sich erkenntlich zu zeigen.

Nicht nur berühmte Bücher, auch eine Kunstsammlung sollen die Frankes im „Schlössle“ besessen haben. Die Villa Jungbrunnen ging im Jahr 1922 an Hugo Kappelsberger aus Feldkirch über, der diese an Helene Scheidle abtrat. 1987 erwarb die Familie Kunze das Schlössle und restaurierte es 25 Jahre lang in mühevoller Detailarbeit. Besonders auffallend ist das Dach aus gebrannten und lasierten Ziegeln. Heute erstrahlt das Schlössle in Gurtis daher in neuem Glanz, ist aber für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. HE