Wenn Worte fehlen

Internationaler Holocaust-Gedenktag – Egon Holländer, 2024: „War nur ein Skelett mit Haut!“
BLUDENZ “Anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2005 den 27. Jänner zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust”, informiert ERINNERN:AT. Darin erklärt die Generalversammlung, „dass der Holocaust, bei dem ein Drittel des jüdischen Volkes sowie zahllose Angehörige anderer Minderheiten ermordet wurden, auf alle Zeiten allen Menschen als Warnung vor den Gefahren von Hass, Intoleranz, Rassismus und Vorurteil dienen wird“. ERINNERN:AT ist das Programm zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust, das vom OeAD – Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung durchgeführt wird.

Ein Frühlingsnachmittag im vergangenen Jahr am Bundesgymnasium Bludenz: Ein 86-jähriger Mann spricht relativ kurze Zeit vor der damaligen Europawahl beim 7. Vorarlberger Zeitgeschichtetag vor Dutzenden von Personen. Ihr Anliegen ist es, die Geschichte zu kennen, um die Gegenwart besser zu verstehen. Er zeigt den Interessierten ein Buch mit einer Illustration, die ein abgemagertes Kind zeigt. „So habe ich im zweiten Weltkrieg ausgesehen; ich war nur ein Skelett, mit Haut überzogen!“. Diese Worte kommen dem Mann nur schwer über die Lippen. Er ringt immer wieder um Fassung, denn das, was ihm in Kriegstagen widerfahren ist, war schlichtweg „schrecklich”. Sein Name ist Egon Holländer. Er lebt in der Schweiz und ist einer der letzten Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager.
Geruch verbranntes Fleisches
Im Alter von sechs Jahren wird Egon Holländer mit seinen Eltern nach Ravensbrück deportiert. Später kommt er mit seiner Mutter nach Bergen-Belsen. Was der gebürtige Tschechoslowake dazwischen erlebte, schilderte er eindrucksvoll. In Auschwitz sei aus zwei Riesenkaminen schwarzer Rauch gestiegen. Es habe fürchterlich nach verbranntem Fleisch gestunken; denn es seien gerade 400.000 ungarische Juden verarbeitet, d. h., mit Giftgas (Zyklon B) erstickt und dann im Ofen verbrannt worden.
Im überfüllten Lager Auschwitz habe man die dort angekommenen Menschen nicht ausladen können. Das sei “eigentlich auch schade gewesen”, zumal seinen Eltern nach seiner Überzeugung “sehr viel Leid erspart geblieben wäre”. Aber immerhin habe er es überlebt. Die Leute seien wieder in die Viehwaggons getrieben worden. “Und die Reise, wie sie bis dorthin war, wurde fortgesetzt. Man hat uns in das Lager Ravensbrück gebracht”, erzählte Egon Holländer. Ravensbrück liege irgendwo in Ostdeutschland. Wo genau das liegt, habe er nie wissen wollen. Dort angekommen, hätte die Menge aussteigen müssen. Die Männer seien von Frauen getrennt worden. Ihr Weg habe in ein Männervernichtungslager geführt. Das sei das letzte Mal gewesen, dass er seinen Vater gesehen habe, der in der Folge erstickt und verbrannt worden sei. Die Frauen mit Kindern seien ins Frauenlager gegangen. Es habe sich um ein Arbeitslager gehandelt; man habe sie also nicht sofort vernichten wollen.
Gegenwart verstehen
Egon Holländers Vorarlberg-Besuch hatte Anita Winter möglich gemacht. Sie hat vor zehn Jahren die Gamaraal Foundation zur Unterstützung von Holocaust-Überlebenden gegründet und Egon Holländer nach Bludenz begleitet. Der Zeitgeschichtetag war eine Veranstaltung des Geschichtsverein Region Bludenz/Stadtlabor Bludenz in Kooperation mit dem Bundesgymnasium Bludenz, der Stadt Bludenz, der Plattform ERINNERN:AT, der Johann-August-Malin-Gesellschaft, dem Museumsverein Klostertal, den Montafoner Museen und dem Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung.
Direkt davor sprach Egon Holländer fast zwei Stunden lang vor den rund 85 Schülerinnen und Schülern aller siebten Klassen dieser Bildungseinrichtung. Die Jugendlichen hatten wenige Wochen zuvor das Konzentrationslager Dachau besucht und so sei “der Besuch eines KZ-Überlebenden eine wichtige Ergänzung dazu gewesen”, erklärte der Historiker Christof Thöny. SCO