„Sie hat ein schönes Kleid“ – Wie Kinder Inklusion erleben

Heimat / 25.02.2025 • 09:15 Uhr
„Sie hat ein schönes Kleid“ – Wie Kinder Inklusion erleben
VN/Linher

Eine besondere Spielzeugbox ermöglicht den Kindern in Feldkirchs Kindergärten, Vielfalt ganz selbstverständlich zu entdecken – ohne Belehrung, sondern mit Neugier und Offenheit.

Darum geht’s:

  • Feldkirch erwirbt als erste Gemeinde Vorarlbergs eine Inklusionsbox.
  • Kinder zeigen Offenheit gegenüber Vielfalt und Inklusion.
  • Inklusionsbox soll frühkindliche Bildung ohne Vorurteile fördern.

Feldkirch-Nofels Im Morgenkreis der Füchsle-Gruppe des Kindergartens Rheinstraße in Nofels ist es heute besonders spannend. Vor den Kindern steht eine große Kiste voller neuer Spielsachen und Bücher – die Inklusionsbox. Neugierig greifen sie hinein, wählen eine Figur oder ein Buch aus und betrachten es genau.

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Luana (5) und Annalena (3) beim Morgenkreis.

Eine Barbie im Rollstuhl ist schnell vergriffen, ebenso eine Puppe mit Vitiligo. „Warum hast du diese Puppe gewählt?“, fragt Kindergartenleiterin Coretta Hagen. „Sie hat ein schönes Kleid“, antwortet die fünfjährige Luana, ohne das auffällige Hautbild der Puppe besonders zu thematisieren.

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Nika (5) fiel die Barbie im Rollstuhl direkt ins Auge.

Auch die Barbie im Rollstuhl wird interessiert betrachtet. „Ich habe sie gewählt, weil sie eine tolle Sonnenbrille hat“, meint die fünfjährige Nika. Ganz unbeachtet bleibt der Rollstuhl jedoch nicht. „Vielleicht ist sie krank“, überlegt das Mädchen. „Oder sie hat sich das Bein gebrochen“, ergänzt die vierjährige Noelie.

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Noelie (4) suchte sich eine Puppe mit Orthesen aus.

Eine Box, die durch Feldkirch wandert

Die spielerische Herangehensweise zeigt: Kinder begegnen Vielfalt mit Offenheit, nicht mit Vorurteilen. Um diese Denkweise nachhaltig zu fördern, hat Feldkirch als erste Gemeinde Vorarlbergs eine Inklusionsbox beim Verein “Himmelblau” erworben. Monatlich wechselt diese den Standort, sodass alle Kindergärten die Möglichkeit haben, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Materialien, die besonders gut ankommen oder für eine Gruppe spezifisch relevant sind, können von den Pädagoginnen und Pädagogen separat nachbestellt werden. „Das Besondere an der Inklusionsbox ist, dass sie nicht als etwas Außergewöhnliches präsentiert wird“, erklärt Coretta Hagen. „Sie ist einfach da. Die Kinder dürfen sich frei damit beschäftigen und Fragen stellen, wenn sie das möchten.“

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Coretta Hagen leitet den Kindergarten Rheinstraße in Nofels.

Mehr als Spielzeug – eine Haltung

Nicht nur diverse Puppen und Figuren sind enthalten, sondern auch Bücher und Spiele, die verschiedene Lebensrealitäten abbilden. Karten mit Gebärdensprache, Kinderbücher über Inklusionsthemen oder Duplo-Steine in unterschiedlichen Hautfarben – all das gehört dazu. Die Materialien bieten den Kindern die Möglichkeit, sich selbst oder andere wiederzuerkennen, ohne dass Unterschiede künstlich betont werden.

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Coretta Hagen las den Kindern eines der zahlreich in der Box enthaltenen Bücher vor.

Laut der Pädagogin nehmen die Kinder die Spielmaterialien unvoreingenommen an. „Oft sind es eher die Erwachsenen, die sich mit der Idee von Inklusion bewusster auseinandersetzen müssen. Kinder fragen vielleicht einmal: ‚Was ist das?‘, und wenn sie eine einfache Erklärung bekommen, ist das Thema für sie erledigt.“

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Interessiert begutachtete die Füchsle-Gruppe den Inhalt ihrer neuen Box.

Der Verein Himmelblau und seine Vision

Die Idee der Inklusionsbox stammt vom Verein Himmelblau, der sich für mehr Diversität in der frühkindlichen Bildung einsetzt. Gemeinsam mit Nicole Klocker-Manser entwickelte Julia Hinteregger das Konzept – inspiriert von einer ähnlichen Initiative in Deutschland. „Wir wollten ein Angebot schaffen, das niederschwellig und praxisnah ist“, erklärt die 36-Jährige. Für sie selbst ist die Reaktion vieler Kinder etwas ganz Besonderes. „Es freut mich ungemein, wenn ein Kind eine Puppe in die Hand nimmt und mit strahlenden Augen sagt: ‚Die sieht ja aus wie ich‘“, erzählt Julia Hinteregger mit einem Lächeln.

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Julia Hinteregger und Coretta Hagen wünschen sich, dass das Thema Inklusion irgendwann eine Selbstverständlichkeit in der Gesellschaft wird.

Der Verein organisiert zudem Projekte an Volksschulen, in denen Kinder spielerisch erleben können, wie es sich anfühlt, mit einer Beeinträchtigung zu leben – sei es durch eine Simulation mit Gehörschutz oder das Testen eines Rollstuhls. Die Inklusionsbox ist eine Erweiterung dieses Ansatzes für den Kindergartenbereich. „Wir wünschen uns, dass Kinder von Anfang an mit Vielfalt aufwachsen und dieses Bewusstsein in der Gesellschaft verankert wird“, beschreibt die Hohenemserin die Vision des ehrenamtlichen Vereins.

Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox
Kindergarten Rheinstraße Tosters, Inklusionsbox