Das Haus verschwindet, die Straße wird unbenannt: Erinnerungen an den Heimatdichter Josef Wichner

Heimat / 17.04.2025 • 13:34 Uhr
Das Haus verschwindet, die Straße wird unbenannt: Erinnerungen an den Heimatdichter Josef Wichner

Jahrzehntelang erinnerte das „Schneckenhaus“ – Josef Wichners Geburtshaus in der ehemaligen Marktstraße – an den Bludenzer Heimatdichter.

Bludenz In den 1990er Jahren fiel das Geburtshaus von Josef Wichner der Spitzhacke zum Opfer. Das geschichtsträchtige Haus in der später nach ihm benannten Straße wurde abgerissen, weil sich die Stadt Bludenz und der Eigentümer, die Firma Getzner, nicht über eine weitere Nutzung einigen konnten.

Wichner Geburtshaus
Im „Schneckenhaus“ wurde Josef Wichner 1852 geboren. Stadtarchiv

Errichtet wurde das Haus Nr. 116 an der Alten Marktstraße wohl am Ende des 18. Jahrhunderts. Im Franziszeischen Kataster ist es unter der Nummer 330 registriert. Es wurde von Anna Katharina Vonbun, der ersten Frau des Schneidermeisters Friedrich Wichner, in die Ehe mitgebracht und fiel nach ihrem frühen Tod im Jahr 1850 an die Kinder des Paares, von denen aber schließlich nur Johann Friedrich das Kindesalter überlebte. Der Vater erhielt das Nutzungsrecht und verblieb dort auch nach seiner zweiten Eheschließung mit Katharina Vaplon. Diese war als Tochter von Ignaz Fidel Vaplon, wegen seiner Schwerfälligkeit „Schneckennaze“ genannt, im „Schneckenhaus“ in der Mühlgasse, damals Haus Nr. 54, aufgewachsen. Nach ihrer Übersiedlung zu Friedrich Wichner ins Haus an der unteren Marktstraße wurde der Name „Schneckenhaus“ auch auf dieses Gebäude übertragen.

Wichner Geburtshaus
Stadtarchiv

So erblickte Josef Wichner am 23. Oktober 1852 schließlich in „Katharinas Schneckenhaus“ das Licht der Welt und verbrachte dort auch die ersten Jahre seiner Kindheit, die er später in seinem ersten Roman „Im Schneckenhaus“ ausführlich beschrieb. Im Haus, das 1853 an der Rückseite um eine Küche und ein Zimmer erweitert wurde, wohnten neben der Wichner-Familie auch die beiden Schwestern der Frau Genoveva und Kreszentia Vaplon. Nach dem Tod der Eltern 1861 übersiedelte Wichner mit seinen beiden Tanten in die Mühlgasse und wohnte kurze Zeit im ursprünglichen „Schneckenhaus“, ehe er ans Gymnasium nach Feldkirch ging. Von dort kam er schließlich über mehreren Stationen (Innsbruck, Brixen) nach Krems, wo er bis zur Pensionierung am Gymnasium unterrichtete, sich daneben aber auch intensiv seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmete.

Wichner
Josef Wichner auf dem Umschlag seines ersten Romans. Stadtmuseum

1922 wurde Josef Wichner in seiner Heimatstadt Bludenz die Ehrenbürgerschaft verliehen, und nur ein halbes Jahr nach seinem Tod am 14. Juni 1923 wurde der Name der Marktstraße in Wichnerstraße geändert. In den 1950er Jahren wurden auch die neue Hauptschule und ein Café nach ihm benannt. OS

Wichner Geburtshaus
Auf dem Plan ist die Erweiterung ein Jahr nach seiner Geburt beschrieben. Archiv Vaplon