Feldkircher Stadtvertreter: “Habe eine leichte Panikattacke, wenn ich hier stehe”

Ein Antrag zu mehr digitaler Transparenz führte in der Stadtvertretung zu politischen Differenzen – und einem überraschend persönlichen Statement.
Feldkirch Mit einem persönlichen Bekenntnis zur eigenen Unsicherheit hat Stadtvertreter Michael Berchtold (Grüne) in der gestrigen Stadtvertretersitzung der Stadt Feldkirch eine emotionale Note in eine sachlich geführte Debatte gebracht.
„Ich habe eine leichte Panikattacke, wenn ich hier stehe“, gab Berchtold vor dem gefüllten Saal und vor laufender Kamera zu. „Aber ich kann die ganz gut einstecken, weil ich für alle da sein möchte. Auch mit meinem Wesen und mit meinen Unsicherheiten“, stellte er klar.

Auslöser für Berchtolds Offenheit war ein gemeinsam eingebrachter Antrag von NEOS, SPÖ und den Grünen, der auf mehr digitale Transparenz in der Stadtpolitik abzielte. Drei Punkte standen im Zentrum: die dauerhafte Archivierung der Livestreams (Video-Übertragung im Internet in Echtzeit) von Stadtvertretersitzungen, die Nutzung eigener Redebeiträge durch Mandatare für Öffentlichkeitsarbeit sowie die Abschaffung der jährlich nötigen Verlängerung der Übertragung.

„Zugänglichkeit für alle“
Stadträtin Fabienne Lackner (NEOS) sprach sich für mehr digitale Transparenz aus: „Wenn sich Feldkircherinnen und Feldkircher später dazu entscheiden, sich eine Sitzung anzusehen, dann sollen sie das auch können.“ In anderen Städten sei die dauerhafte Archivierung längst Realität und verursache „keine zusätzlichen Kosten“. Auch die Wiederverwendung eigener Redebeiträge sei „Teil moderner politischer Kommunikation“. Die jährliche Befristung sei aus ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäß.

Skepsis bei der ÖVP
Der ehemalige Stadtrat Benedikt König (ÖVP) zeigte sich kritisch. Der Livestream habe die Debattenkultur verändert: „Wir haben eigentlich nur noch Kurzvorträge, Kurzwortmeldungen. Wir haben keine echten Diskussionen mehr in der Stadtvertretung.“ Besonders jüngere Mitglieder würden sich durch die Kameras gehemmt fühlen, es habe sogar Fälle von Panikattacken gegeben – eine Aussage, die Michael Berchtold zu seinem oben genannten Statement motivierte. König warnte zudem vor einer „gewissen Performance-Affinität“ und verwies auf rechtliche Fragen und mögliche Kosten. Grundsätzlich sei eine Diskussion über den Livestream möglich, dem vorliegenden Antrag könne er aber in dieser Form nicht zustimmen.

Rauch: „Schon mehrfach diskutiert“
„Es verwundert mich schon sehr, dass man im Jahr 2025 überhaupt noch über die Sinnhaftigkeit eines Livestreams diskutieren muss“, sagte Stadtrat Clemens Rauch (Grüne). Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien nicht neu, sondern bereits mehrfach im Digitalisierungsausschuss der letzten Periode diskutiert worden. Viele Menschen nutzten den Livestream, auch Mitarbeitende der Stadt hätten ihm rückgemeldet, dass sie dadurch einen besseren Zugang zur Stadtpolitik hätten. Als möglichen Kompromiss schlug Rauch eine Archivierung über die Dauer der politischen Periode hinweg vor. Hinsichtlich der Kosten verwies er auf die Stadt Bludenz, die ihre Sitzungen über YouTube zur Verfügung stellt – seiner Kenntnis nach ohne zusätzliche Ausgaben.
Kritik am Ablauf
Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ abgelehnt. Die bisherige Regelung – eine siebentägige Verfügbarkeit – bleibt bestehen. Am Ende der Sitzung äußerte Rauch Kritik am Umgang mit Informationen im Vorfeld der Sitzung. Drei zentrale Unterlagen seien erst am Tag der Sitzung verschickt worden. „Das ist ärgerlich, wenn man sich auf eine fundierte Diskussion vorbereiten will“, so Rauch. Manfred Rädler (ÖVP) zeigte Verständnis. „Diese Kritik nehme ich auf“, so der Feldkircher Bürgermeister. Zugleich verwies er darauf, dass ein Dringlichkeitsantrag „halt manchmal wirklich im Dringlichkeitswege“ eingebracht werde.