Wälder Standard

Schlichte Kuben im Schindelkleid sind Standard im Bregenzerwald. Der bewährte Stil verkommt mitunter zum Klischee. Wenn es allerdings darum geht, verdichtete Wohnformen und ländliches Landschaftsbild aneinander zu gewöhnen, macht Tradition in der Fassade durchaus Sinn. Autor: Tobias Hagleitner| Fotos: Benno Hagleitner
ie Bregenzerwälder Handwerkskunst und das Baugewerbe werden viel gelobt. Das Gefühl für einfache Schönheit und die Perfektion im Umgang mit dem Material sind weit über die Landesgrenzen berühmt geworden, vor allem, was den Holzbau betrifft. Dass die Tradition nicht wie in vielen anderen Regionen abgebrochen ist, sondern im Gegenteil entscheidend zur Modernisierung des Bauens in Vorarlberg und im Alpenraum beigetragen hat, verdankt sich der hervorragenden Zusammenarbeit der Betriebe mit den Architekturschaffenden in den vergangenen Jahrzehnten. Nach und nach wurden gemeinsam neue Typologien entwickelt, das alte Wissen wurde mit technischen Innovationen verknüpft, veränderte gesellschaftliche Anforderungen wurden bei der Gestaltung berücksichtigt. Immer wieder musste hinterfragt, verbessert und erneuert werden. Es ist ein baukultureller Prozess, der bis heute andauert und auf keinen Fall abgeschlossen ist.
Wir befinden uns in der Alberschwender Parzelle Hof unterhalb der Landesstraße unweit des Ortskerns. Rundherum sind Einfamilienhäuser. In Relation dazu bedeutet die Anlage mit insgesamt 17 Wohneinheiten einen ordentlichen Maßstabssprung. Der Gestaltungsbeirat der Gemeinde tat gut daran, die Umsetzung als zweiteiliges Volumen zu empfehlen. Damit gelang es, trotz Größenunterschieds, an die bestehende Struktur anzuknüpfen. Dietrich | Untertrifaller Architekten setzten die beiden Häuser auf Betonsockelgeschoßen sorgfältig ins abfallende Gelände, sodass sie sich hangseitig nur dreistöckig zeigen und die verbindende Tiefgarage im Erdreich verschwindet. Die horizontal-flächige Gliederung der Fassaden mit langen Fensterbändern verstärkt die zurückhaltende Erscheinung. Tiefe Balkon-einschnitte fügen sich präzis ins lineare Bild. Ein regionales Urmotiv wurde gekonnt zitiert: Wie der Schopf am Bauernhaus sitzt der Balkon jeweils im Eck der Wohnung. Was den Wohnbau endgültig zum Wälderhus macht, ist freilich das Fassadenmaterial. Die Außenwände wurden aus Holzelementen gefertigt und fein detailliert mit Lärchenplättchen geschindelt. Was nicht sichtbar ist und deshalb dazu gesagt werden muss: Das hölzerne Gewand wird von einem Skelettbau aus Stahl und Beton getragen.
Die schlanke Tragkonstruktion mit geringen Innenwandstärken ergibt ein Maximum an Raum innerhalb der fast quadratischen Grundriss-Konturen der zwei Objekte. Ein besonderer Vorteil der Mischbauweise gegenüber einem reinen Holzbau zeigt sich in der Wohnung unserer Gastgeberin im obersten Stock. Sie brauchte weniger Zimmer als von den Planern vorgesehen und war beim Kauf der Einheit noch weitgehend frei, den Grundriss zwischen den Stahlstützen nach eigenen Vorstellungen einzurichten. Das unterstreicht den ohnehin großzügigen Charakter dieser Loftwohnung. Zwischen den beiden Terrassen, die hier auf der obersten Ebene die gesamte Hausbreite einnehmen, entfaltet sich eine elegante Wohnküche unter stützenfrei gespannter Decke. Das schafft Helligkeit und Weite mit bester Aussicht Richtung Berg und Tal.
Die Wohnanlage Hof erscheint unaufdringlich modern, wirkt wie natürlich verwurzelt, obwohl sie für Bregenzerwälder Verhältnisse eine beachtliche Größe und Dichte aufweist. Im Vorjahr erhielt der Wohnbau den Vorarlberger Holzbaupreis in der Kategorie Holzmischbauweise. „Es ist ein sehr guter Standard, der die Zielvorgabe leistbaren Wohnraums und ökologische Ansprüche zeitgemäß ausbalanciert“, meint Roman Österle, der das Projekt architektenseitig begleitet hat. Beauftragt und errichtet wurde das Gebäude von der lokal ansässigen Firma oa.sys. Die Architekten räumten dem Generalunternehmen im Bereich der Ausführungsplanung und Umsetzung ein hohes Maß an Eigenständigkeit ein. Eine solche Emanzipation der Bauträger und Handwerksbetriebe von der Architektenzunft funktioniert, so lange die über viele Jahre gemeinsam erarbeiteten Gestaltungsstandards wie in diesem Fall in hoher Qualität reproduziert werden. Für die Fortsetzung und Weiterentwicklung der Erfolgsgeschichte Vorarlberger Baukunst wird es allerdings auch in Zukunft unerlässlich sein, die enge Verbindung und wechselseitige Ergänzung von Architektur und Handwerk zu beherzigen, vom ersten Entwurf am Plan bis zur Detailfertigung am Bau.
Ich habe immer ein bisschen Urlaubsfeeling hier herinnen.

Der Hauptwohnraum ganz in Weiß und Holz verbindet die attraktiven Außenbereiche als durchgestecktes Loft. Blick nach Südosten …

Die Rücksetzung des obersten Geschoßes ergibt sich aus dem Bebauungsplan. Die Terrasse ist im Sommer die eigentliche Wohnung mit viel Sonnenlicht und Aussicht in alle Himmelsrichtungen.


Roman Österle von Dietrich | Untertrifaller Architekten erläutert die Logik des Entwurfs und die rationelle Bauweise. Er hat das Projekt als leitender Architekt mit-
gestaltet und begleitet.

Auch im Badezimmer ergibt die Kombination aus Lärchenholz, Naturstein und weißem Anstrich eine schlichte, freundliche Eleganz.

Geschindelte Sachlichkeit Über einem Sockel
aus Beton sitzen die beiden Häuser streng konturiert im
sanft abfallenden Gelände. Die obersten Etagen wurden
als Terrassenwohnungen ausgeführt.

Tradierte Behaglichkeit In den Gebäudeecken sind tiefe Loggien eingeschnitten. Decke, Boden und Wand sind aus Holz, gemütlich wie ein Schopf an einem alten Wälder Bauernhaus.

Verdichtete Ländlichkeit Den bestehenden
Siedlungsraum verdichten, statt neuen Raum verbrauchen, das gilt auch im Bregenzerwald. Ohne Mehrfamilienhäuser geht das nicht.