Ein Familienhaus
Entfaltungsraum für sechs Personen war gefragt, Platz zum Musizieren und eine Wand zum Klettern, ein Haus, das alltagstauglich, natürlich und alterungsfähig ist. Und ja, „eats Wälderisches“ durfte es auch haben, wie die Bauherrin hinzufügt. Autor: Tobias Hagleitner | Fotos: Benno Hagleitner
In den letzten Jahren haben sich im Bregenzerwälder Einfamilienhausbau offenbar verbindliche Stilmerkmale entwickelt. Ein Typus ist entstanden, der zur Nachahmung verführt und längst auch ohne Architektin oder Architekt produziert wird. Dieses „neue Wälderhaus“, das von Alberschwende bis zum Hochtannberg allerorten aus dem Boden schießt, trägt Schindelkleid und Satteldach, verbindet die strengen Linien der Moderne mit der weichen Materialität heimischen Holzes. Auch im Andelsbucher Ortsteil Moos sind in der sanften Hanglage östlich des Ortskerns jüngst eine ganze Menge solcher Häuser entstanden.
Das Haus, das Architekt Ingomar Reumiller ein Stück unterhalb des Vinzenzheims für eine sechsköpfige Familie entworfen hat, zeigt einige der „typischen“ Elemente. Ins Klischeebild vom traditionell-modern-schicken Wälderhaus passt es aber trotzdem nicht. Es ist weniger eitel als viele seiner Zeitgenossen, nicht so sehr auf Äußerlichkeiten bedacht, sondern ganz am Bedarf seiner Bewohner orientiert. Es ist ein Haus, das dem täglichen Gebrauch der Familie bestmöglich dient, also im eigentlichen Sinn des Wortes „funktional“ ist. Und damit ist es modern und zugleich den alten Wälder Bauernhäusern, wie sie seit Jahrhunderten gedacht und gebaut sind, auf sehr innige Weise verbunden und verwandt.
Vor allem aber in der Art seiner Produktion knüpft das Haus an Traditionen an. Weil es die bestehende Topografie achtet und folglich wie selbstverständlich aus dem Gelände wächst, weil die Materialen naturbelassen sind, was ein Altern in Würde garantiert, weil es durch und durch handwerklich hergestellt ist, was dem Haus Eigenständigkeit und Charakter verleiht. Vom Ofen über die Stühle bis zur Gartenmauer wurde mit einer für ein Einfamilienhaus ungewöhnlichen Vielzahl von regionalen Kleinbetrieben zusammengearbeitet. So ist gewissermaßen ein Schauhaus für die hervorragende Handwerkskunst des Bregenzerwalds entstanden.
Architekt Reumiller scheint mit der Bauherrschaft ein sehr bedachtes und bestens vorbereitetes Gegenüber gehabt zu haben. Viele Ansprüche waren schon bei Entwurfsbeginn gut überlegt. „Wir haben relativ spät gebaut“, erklärt der Bauherr. So sei genug Zeit gewesen, sich Beispiele anzuschauen, Eindrücke zu sammeln, die Bilder und Wünsche vom eigenen Lebensraum reifen zu lassen und in einem lebendigen und spannenden Miteinander mit dem Architekten Lösungen zu finden. „Mir ist als Architekt der Diskurs wichtig, das Haus als Destillat der Wünsche, orientiert an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen“, erzählt Ingomar Reumiller von der intensiven Zusammenarbeit. Es gehe nicht immer darum, die Vorstellungen der Bauherrschaft unmittelbar umzusetzen: „Es liegt auch in der Verantwortung des Architekten, Wünsche zu hinterfragen, um zu ergründen, was tatsächlich gebraucht wird.“ So ergab sich ein gemeinsamer Entwurfsprozess auf hohem Niveau. Nach und nach entstanden die Pläne für ein Haus, das seine unterschiedlichen Bewohner ernst nimmt und deren vielfältige Bedürfnisse und Erwartungen abdeckt.
Der „Hobbyraum“, der in vielen Häusern in den Keller wandert, wo das Hobby bald vergessen und der Raum zur Rumpelkammer wird, konnte auf diese Weise zum lebendigen Herzstück des Hauses werden. Das Obergeschoß wurde im bergseitigen Teil bis unter das Dach ausgebaut. Eine stilisierte „alpine Landschaft“ mit Spalten und Lichtschlitzen überzieht die Wände und Decken. Sport und Kultur finden hier in seltener Harmonie zusammen. Es ist ein kleiner Saal, der einerseits zum Ausleben der Kletterleidenschaft einlädt, andererseits zum Musizieren und für kleine Hauskonzerte genutzt wird. Das hölzerne Gebirgsrelief mit seiner vielfach geneigten Geometrie ist dafür akustisch optimal. Und es gibt auch einen „Riesenfernseher“, schmunzelt der Architekt und meint damit das große Panoramafenster Richtung Südosten zur Niedere, wo ein idyllischer Ausschnitt echter Bergwelt mit Kühen und Paragleitern betrachtet werden kann.
Es sollte Bezug nehmen zum Ort, zur Landschaft, zu den Menschen, die darin wohnen.
Das Fichtenholz für die sägerauen Böden stammt aus einem eigenen Waldstück. Beim Auswählen
und Fällen der Bäume
waren die Bauleute dabei.
Die Küche hat als funktionierende Arbeitseinheit direkten Bezug zu Terrasse, Ess- wie Wohnbereich. Die Arbeitsplatte aus Solnhofener Plattenkalk fügt sich bestens ins Bild.
Der gedeckte Sitzplatz bietet Ausblicke hinunter ins Dorf und Richtung Berg. Ein gemütlicher und geschützter, sehr wohnlicher Bereich zwischen Haus und Garten.
Eine Besonderheit ist
das große Dachzimmer für die musikbegeisterte Familie. Hier wird gespielt, geübt und die Landschaft betrachtet. In Kürze ist ein Hauskonzert geplant.
Ganz aus Holz sind die massiven Wände, die Dämmung und das Fassadenkleid aus Schindeln. Den typischen Wälder Schopf gibt es nicht, dafür einen großzügigen Windfang als Übergang zwischen innen und außen.
In klassischer Form als Quader mit Lochfassade und Satteldach liegt das Gebäude in dem Hang am Fuß der Niedere. Am Geländeverlauf wurde kaum etwas verändert. Das verbindet Haus und Landschaft.
Gestampfter Beton lässt das Fundament
erscheinen, als wäre es natürlich aus dem Grund gewachsen. Ein schöner, lebendiger Sockel für den Schindelkörper,
der mit den Jahren ebenfalls ergraut.