Das rechte Maß

Immo / 31.08.2017 • 15:22 Uhr
Das rechte Maß

Sinnvolles (Land-)Wirtschaften braucht eine angemessene Infrastruktur. Ein neues Alpgebäude im Montafon verbindet traditionelle Form mit zeitgemäßem Komfort. Autorin: Verena Konrad | Fotos: Stefan Hauer, Hans Hohenfellner, Christian Neff

ut 41 Prozent der Vorarlberger Landes-
fläche sind Alpflächen. Dieser hohe Prozentsatz macht deutlich, welche Bedeutung die Bewirtschaftung der Alpen für Wirtschaft und Kultur in Vorarlberg haben. Die Alpwirtschaft ist wichtiger Teil der Landwirtschaft. Tallandwirtschaft mit Grünland- und vor allem Viehwirtschaft haben große Auswirkungen auf sie.

Die Arbeit der Älpler und Älplerinnen besteht in einer Nutzung mit Rücksicht auf Tierwohl und Naturraum, der Pflege der Kulturlandschaft, der Erzeugung regionaler Produkte, in einem Beitrag zur Erhaltung eines Erholungsraumes, der auch von Wert für die Freizeitwirtschaft ist und den viele Wanderer schätzen. Der Arbeitstag ist lang, die Nächte sind kurz. Ein Großteil der Arbeit findet im Freien statt. Die Älpler sind dabei der Witterung ausgesetzt. Was auf Tourismusprospekten idyllisch wirkt, ist meist harte Arbeit. „Es ist nicht so, dass sich viele darum reißen, so zu leben. Ein Grund dafür ist, dass man weit weg ist vom Dorf, der Familie und oftmals auch sehr karg lebt. Das ist dauerhaft eine große Belastung“, erzählt Erich Thöni. Qualifiziertes Personal zu bekommen, setzt angemessene Entlohnung voraus und gute Rahmenbedingungen. „Dazu zählt auch eine gute Unterkunft.“ Die Abgeschiedenheit erzeugt auch Klischeebilder. Für die, die hier wirklich arbeiten, ist die Situation weniger romantisch. „Wir reden nicht von Luxus, sondern von einer Art Komfort, die auch mit Hygiene, Privatsphäre – denn manchmal arbeiten auch mehrere Leute hier – und Grundversorgung zu tun hat. Mit unserer neuen Alphütte haben wir auch eine Grundlage dafür geschaffen, sich so ein Leben vorstellen zu können.“ Erich Thöni ist Schriftführer der Agrargemeinschaft der Alpe Gampaping und führt uns beim Lokal-
augenschein gemeinsam mit Architekt Hans Hohenfellner durch die Räume der Hütte. „Wir sind sehr froh, dass wir mit Hans arbeiten konnten. Wir haben nach jemandem gesucht, der uns hilft, das möglich schnell und vernünftig und gut zu erledigen. Bauverantwortlicher der Agrargemeinschaft war Edgar Klehenz.“ Bauliche Maßnahmen für die Alpwirtschaft sind Wohngebäude, Hirtenhütten, Stallungen, Sennereien, Düngerstätten, Wasserversorgungen, Sicherungsbauten für Lawinenschutz und Wirtschaftswege innerhalb des Alpgebietes. Das Bauen im alpinen Raum ist kompliziert. Für den Transport der Baumaterialien müssen nicht selten neue Wege angelegt oder Helikopter gemietet werden. „Das ist aufwendig und kostenintensiv. Der Rest läuft wie unten.“

Der Neubau der Alpe Gampaping befindet sich in der Nähe der Lifttrasse der Heimspitzbahn auf 2100 m Seehöhe im Skigebiet
Silvretta Montafon in exponierter Lage. Unter einem gemeinsamen Dach wurden eine Alphütte und ein Freilaufstall in einem Baukörper zusammengefasst. Der Stall wurde in Holzriegelbau-
weise auf einem Beton-
sockel und einer betonierten Wand zur Bergseite aufgebaut. Nach rund einem Jahr Betrieb sind nur wenige Benutzungsspuren zu sehen. „Der Stall ist zum Schutz des Viehs gedacht, etwa um die Kühe bei schlechter Witterung unterbringen zu können. Das war bisher nicht nötig. Im Idealfall sind die Kühe draußen auf der Weide.“ Von der Hütte aus gibt es eine Verbindungstür mit kleiner Schleuse, „damit wir den Schmutz nicht überall hintragen.“ Auf der Alpe Gampaping gibt es keinen Sennereibetrieb und auch kein Angebot für Wanderer. „Wir kümmern uns um das Vieh und die Kulturlandschaft. Das ist unser Auftrag.“

Der Stall ist hangseitig in das Gelände eingebettet, Wohntrakt und Vorplatz wenden sich dem hochalpinen Panorama zu, das sich einem beim Blick aus dem Fenster präsentiert. „Wer hier arbeitet, schaut freilich nicht oft aus dem Fenster, höchstens um zu schauen, wie das Wetter ist.“ Die Hütte wurde mittels dreischaliger Außenwandkonstruktion wärmegedämmt. Die Wände aus Kreuzlagenholz sind als innere Tragschale sichtbar und mit Kerndämmung und einer Strickwand außen ausgeführt. Alle Holzteile sind unbehandelt. Der natürliche Baustoff ist sichtbar und altert mit der Zeit. Im Innenausbau wurde auf jede Art von zusätzlicher Verkleidung verzichtet, was sich auch auf die Baukosten ausgewirkt hat, die man so niedrig wie möglich halten wollte und musste. Die Decken sind als Holzdielen-
decken ausgeführt, der Boden als Holzriemenboden. Ein Durchheizherd mit Heizwand sorgt für behagliche Wärme, im Notfall – also bei besonderer Kälte – kann mit einer Elektroheizung dazugeheizt werden – „was, wenn möglich, nicht vorkommen sollte. Wir sind gewohnt, für das Funktionieren des Alltags zu sorgen – einheizen gehört da dazu.“

Die äußere Form ist einfach und traditionell. „Das ist ein Wirtschaftsgebäude“, betont Hans Hohenfellner. „Wir haben miteinander möglichst viel aus der Aufgabe herausgeholt, haben auf das Notwendige reduziert und dennoch einen guten Raum geschaffen, der eine angenehme Atmosphäre schafft.“ Im Winter drückt der Schnee mit seiner Last auf das Dach – die Verschindelung wurde daher mit Aluminiumschindeln vorgenommen. Hans Hohenfellner ist im Montafon aufgewachsen. „Als Architekt interessiert mich, was angemessen ist. Der Bauaufgabe entsprechend wurde versucht, auf die Grundbedürfnisse einzugehen, funktionale und ökonomische Interessen in den Vordergrund zu stellen und eine einfache Architektursprache zu wählen.“ Auflagen gab es auch hier genügend. „Das ist auch gut so. Wir sind hier knapp unterhalb 2100 Metern. Es geht hier auch darum, welchen Einfluss das Bauwerk, aber auch das Bauen selbst, auf die Natur hat.“

Der Bauaufgabe entsprechend wurde versucht, auf Grundbedürfnisse einzugehen.

Die äußere Form der Alphütte ist einfach und traditionell.

Die äußere Form der Alphütte ist einfach und traditionell.

Der Stall wurde in Holzriegelbauweise auf einem Betonsockel und einerbetonierten Wand zur Bergseite aufgebaut.

Der Stall wurde in Holzriegelbauweise auf einem Betonsockel und einer
betonierten Wand zur
Bergseite aufgebaut.

Eine gute Unterkunft ist Basis dafür, dass die Arbeit auf der Alp erträglich wird.

Eine gute Unterkunft ist Basis dafür, dass die Arbeit auf der Alp erträglich wird.

Die Stube mit Küche ist ein Gemeinschaftsraum. Materialien ziehen sich bis auf wenige Ausnahmen durch.

Die Stube mit Küche ist ein Gemeinschaftsraum. Materialien ziehen sich bis auf wenige Ausnahmen durch.

Im Innenausbau wurde auf jede Art von zusätzlicher Verkleidung verzichtet. Die Decken sind als Holzdielendecken ausgeführt, der Boden als Holzriemenboden. Stein gibt es dort, wo gröbere Verschmutzungen zu erwarten sind.

Im Innenausbau wurde auf jede Art von zusätzlicher Verkleidung verzichtet. Die Decken sind als Holzdielendecken ausgeführt, der Boden als Holzriemenboden. Stein gibt es dort, wo gröbere Verschmutzungen zu erwarten sind.

Wirtschaftsgebäude Hütte und Stall dienen nicht der Romantik, sondern den Aufgaben der Alpwirtschaft.

Wirtschaftsgebäude Hütte und Stall dienen nicht der Romantik, sondern den Aufgaben der Alpwirtschaft.

Keine unberührte Landschaft Sessellift, Bahnstationen und Wege zum Betrieb derselben prägen die Landschaft rund um die Alphütte als Infrastruktur für den Wintertourismus.

Keine unberührte Landschaft Sessellift, Bahnstationen und Wege zum Betrieb derselben prägen die Landschaft rund um die Alphütte als Infrastruktur für den Wintertourismus.

Unter einem gemeinsamen Dach Alphütte und Freilaufstall sind in einem Baukörper zusammengefasst.

Unter einem gemeinsamen Dach Alphütte und Freilaufstall sind in einem Baukörper zusammengefasst.

Drei Schlafräume bieten Platz für sechs Personen. Dazu gibt es zwei kleine Bäder mit Basisausstattung.

Drei Schlafräume bieten Platz für sechs Personen. Dazu gibt es zwei kleine Bäder mit Basisausstattung.