Aaron Pilsan: “Beide Komponisten sind bereit, Regeln zu brechen”

Der international tätige Dornbirner Pianist Aaron Pilsan bewirbt zwei CDs zwischen Bach und Schumann.
DORNBIRN Als absolute pianistische Ausnahmebegabung hat Aaron Pilsan mit 19 als „Rising Star“ die großen Konzertsäle Europas erobert. Er war Stammgast bei der Schubertiade, wurde vielfach international ausgezeichnet und lebt heute in Berlin. Der Zufall und die Marktpolitik der Plattenfirmen wollten es, dass Pilsan im Moment zwei eigene aktuelle Alben anbietet: Eine schon vor Jahren entstandene CD mit Schumanns „Kreisleriana“ und Humoresken von Jörg Widmann, die erst jetzt erschienen ist, und eine CD mit dem ersten Band von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ in einem speziellen Format, die bereits 2021 auf den Markt kam und deren Programm er am 22. Februar im Reichshofsaal Lustenau erstmals öffentlich in Vorarlberg aufführen wird.

Warum ist Ihre früher eingespielte Schumann-Widmann-CD erst jetzt bei Alpha Classics erschienen, was ist da passiert?
PILSAN: Die Aufnahme sollte ursprünglich bei meinem früheren Label Naive veröffentlicht werden, was leider nicht geklappt hat. Die Zusammenarbeit mit meinem jetzigen Label Alpha Classics sollte schließlich mit dem Bach-Album beginnen, was mir persönlich wichtig war.
Welche Querverbindungen sehen Sie zwischen den beiden deutschen Komponisten, dem Romantiker Schumann und dem Zeitgenossen Widmann?
PILSAN: Beide Komponisten gehen bei ihrer Arbeit von Emotionen aus und sind dabei bereit, Regeln zu brechen, neue Wege zu gehen und aus der Empfindung heraus die Formen zu entwickeln. Außerdem bedienen sie sich einer poetischen Tonsprache, Bildern und programmmusikalischen Elementen.
Ihre prägende Lehrerfigur war der inzwischen verstorbene Deutsche Karl-Heinz Kämmerling. Was konnte er Ihnen für Ihre Karriere mitgeben?
PILSAN: Bei Professor Kämmerling habe ich vor allem die Grundlagen der Technik gelernt, wobei Technik nicht als etwas Mechanisches verstanden werden sollte, sondern vielmehr die Fähigkeit, die Ideen und Bilder in der Vorstellungskraft physisch umzusetzen. Aber er hat mich genauso angeregt, diese inneren Bilder zu entwickeln. Darüber hinaus hat er mir einige wertvolle Kontakte verschafft, die für meinen weiteren Werdegang wichtig waren.

Sie beginnen wie Ihr Lehrer András Schiff jeden Tag am Klavier mit Bach – wurde damit der Grundstein gelegt für diese Einspielung des komplexen „Wohltemperierten Klaviers“ auf Ihrem Album von 2021?
PILSAN: Ich habe Bachs Musik bereits mit acht Jahren kennen und lieben gelernt, Sir Schiffs Aufnahme hörte ich zum ersten Mal mit 16, als ich mit meiner Familie in Spanien den Sommerurlaub verbrachte. Dort habe ich die Aufnahme täglich verschlungen und seitdem angefangen, selbst daran zu arbeiten. Meine Rituale ändern sich oft, aber Bachs Musik ist intellektuell, emotional und spirituell anspruchsvoll, das macht sie so besonders.
Sie haben für Ihr Bach-Projekt ein besonderes Stimmungskonzept gewählt?
PILSAN: Mir ging es darum, das Alte und das Neue zu verbinden, die sogenannte „wohltemperierte“ Stimmung, die dem Werk den Namen gab, mit den Möglichkeiten des modernen Konzertflügels. Wir haben vor der Aufnahme viele Tage mit der Vorbereitung des Instruments verbracht und lange am exakten Klang im Studio gearbeitet.
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Wird dem Konsumenten diese besondere Art des Klanges bewusst?
PILSAN: Generell unterscheidet sich meine Interpretation nicht, egal, ob ich auf einem wohltemperiert oder auf einem gleichstufig gestimmten Flügel spiele. Am wichtigsten ist mir die Rhetorik, die Spontaneität und der gestische Ausdruck der einzelnen Charaktere. Diese werden allerdings durch die Stimmung noch verstärkt!

Wie waren die Reaktionen in der Musikwelt, ist Ihr Konzept akzeptiert oder kritisiert worden?
PILSAN: Mein Bach-Album war überragend erfolgreich. Es wurde 2021 als beste Aufnahme des Jahres auf Grammophone UK ausgezeichnet und millionenfach gestreamt. Überhaupt waren die Fachrezensionen sehr enthusiastisch, unter anderem beim ORF, MDR, RBB und in vielen Fachmagazinen.
Sie leben nach wie vor aus dem Koffer – wo stehen Ihre nächsten Konzertpodien?
PILSAN: Nach dem Bach-Konzert in Lustenau sind Auftritte beim BR in München, in Bozen, in Wien, Linz, beim Grafenegg-Festival oder auch in Chemnitz geplant, wo ich beim diesjährigen Mozartfest mit Reinhard Goebel auftreten werde.
FRITZ JURMANN
Klavierabend mit Bachs „Wohltemperiertem Klavier“
22. Februar, 20 Uhr, Reichshofsaal Lustenau
Aaron Pilsans Alben sind bei ALPHA CLASSICS erschienen.
ZUR PERSON
AARON PILSAN
GEBOREN 1995 in Dornbirn
AUSBILDUNG mit acht Jahren an der Musikschule Dornbirn (Iván Kárpáti), Mozarteum Salzburg
(Karl-Heinz Kämmerling), Lars Vogt; Meisterkurse bei András Schiff, Alfred Brendel, Daniel Barenboim, Maria João Pires, Sergei Babayan
TÄTIGKEIT Internationale Konzerte in Solorecitals, mit Orchestern und als Kammermusiker, vier CDs
AUSZEICHNUNGEN Förderprogramm der Schweizer Stiftung Orpheum, „Rising Star“ der European Concert Hall Organisation (ECHO), Förderpreis des Deutschlandfunks
FAMILIE ledig