Einer, der auf Erfahrung baut

kontur / 28.03.2024 • 08:56 Uhr
Einer, der auf Erfahrung baut
Bernhard Ölz
geb. 20. April 1963 in Dornbirn, Studium Kultur­technik und Wasserwirtschaft an der Universität für Boden­kultur, Wien, Studium Betriebs-, Rechts- und ­Wirtschaftswissenschaften Technische Universität ­Wien, 1989 entec environmental technology, ­Fußach, 1990 Eintritt in die Zima-Unternehmensgruppe; ­‚Aufbau VWP ­Vorarlberger Wirtschaftspark Götzis, 1994 Gründung der Prisma Holding AG

Der Dornbirner Bernhard Ölz entwickelt seit 30 Jahren Quartiere und tüftelt nach zukunftsträchtigen Formen des Zusammenlebens.

Über der Grenze ist Bernhard Ölz Schlossherr. Der drei­geschoßige, nahezu quadratische Barockbau mit Mansarddach und verspielten kleinen Gauben befindet sich in der deutschen Stadt Singen am Hohentwiel, gute eineinhalb Autostunden von der Prisma-Holding in Dornbirn entfernt. „Schlossherr“ und Besitzerfamilie (50% Prisma, 50% Familie Vetter von der Lilie), das Adelsgeschlecht Vetter von der Lilie, wollen der Friedenslinde-Kreuzung ein neues Gesicht geben. 12.503 Quadratmeter Gelände, das entspricht in etwa zwei Fußballfeldern, sollen Quartier werden: Schlossquartier. Was den 60jährigen Prisma-Gründer am meisten freut, ist, dass mit der Neugestaltung der dazugehörige Park erstmals öffentlich zugänglich wird. Eine grüne Oase mit großen, alten Bäumen, Pfingstrosen und historisch angelegtem Stadtgarten aus dem Jahr 1909, umgeben von historischem Ambiente und dynamischer Urbanität. Dazu ergänzt ein adäquater Vorplatz zum Schloss das harmonische Gestaltungskonzept und schließt mit vier zusammenhängenden Baukörpern auf einer zweigeschoßigen Tiefgarage zur Straße hin ab. Nicht zu vergessen die Multifunktionalität aus Wohnen und Arbeiten, Bildung und Coworking-Spaces, Einkaufen und Kinderbetreuung, Kultur und Freizeit sowie Begegnungszonen und gesellschaftliche Integration. Die Zukunft beginnt im Heute. Mit dem geplanten Spatenstich als erster Schritt der baulichen Realisierung des 50-Millionen-Projektes.

Einer, der auf Erfahrung baut
Schwerpunkt der Zentrums­entwicklung Am Garnmarkt ist die Durchmischung von Einkaufen, Arbeiten und Wohnen. (li.)
Das Schloss­quartier in ­Singen am ­Hohentwiel ist das 93. Projekt von Prisma. (re.)

Handschlagqualität.

Das Schlossquartier ist der insgesamt 93. Standort, den die Prisma-Gruppe von Ölz entwickelt. Der Diplomingenieur baut auf Erfahrung. „Es ist genau 30 Jahre her, dass ich Prisma gegründet habe“, erzählt der Dornbirner. „Damals war ich allein, hatte mein Büro im Keller des Vorarlberger Wirtschaftsparks und wollte mit meinen Visionen hoch hinaus.“ Mit seiner Ehrlichkeit, der konsequenten Art, mit der er seine Visionen verfolgte und mit Entwicklungen, die Hand und Fuß hatten, fand er in Hermann Metzler und Paul Sutterlüty Partner, die ein Expandieren ermöglichten. „Wenn mir damals jemand gesagt hätte, wo ich heute stehe, ich hätte es niemals glauben können.“ 88 Gebäude an 40 Standorten mit über 1000 Mietern sind im Bestand der Unternehmensgruppe. Projekte wie Acht Zwei Vier in Salzburg, Dichter4 in Ulm und Lustkandlgasse in Wien sind gerade in Umsetzung und haben eine Größenordnung von rund 150 Millionen Euro. Und dass trotz gebeutelten Zeiten mit gestiegenen Material-, Bau und Energiekosten, explodierten Zinsen, Kim-Verordnung, Krisenstimmung und wirtschaftlichen Unsicherheiten. „Das Wachstum ist zwar gebremst, aber wir wachsen“, antwortet Ölz, noch bevor die auf der Zunge liegende Frage ausgesprochen wird. Die Begründung folgt in einem Atemzug: „Wir haben und hatten immer eine sehr konservative Finanzpolitik und halten schon etwas aus.“

Ab wann es brenzlig geworden wäre? „Mitte des vergangenen Jahres haben wir Stressszenarien durchgespielt“: „Eine Steigerung von mehreren Prozentpunkten Zinsen wären anstrengend geworden.“ Davon sei man jedoch weit entfernt. Vielmehr ist eine Stabilisierung auf dem aktuellen Niveau zu erwarten. Vielleicht eine moderate Senkung. Doch Jammern ist für ihn seit jeher fehl am Platz. Es gab Zeiten in den 1980er- und 90er-Jahren mit Zinsen in Höhe von acht bis neun Prozent und Kontokorrentkrediten mit 13 Prozent. „Wir können damit umgehen“, stellt der Quartiersentwickler klar.

Kleiner Akt, große Zukunft.

Lieber greift der gesellige Geschäftsmann nach einem Glas Sekt, um auf die bauliche Halbzeit des Gebäudes Am Garnmarkt 17 in Götzis anzustoßen. Das Fitnessstudio Good Life Sports sowie ein Asia Restaurant und ein Asia Lebensmittelmarkt werden den vorhandenen Branchenmix bereichern. Die Vielfalt ist es nämlich, die den Garnmarkt ausmacht und die dem Projekt den ersten Platz beim Walk-Space Award 2013 und auch beim Shoppingcenter Performance Report 2019 einbrachte. Bei einer Konkurrenz von 130 österreichischen Einkaufszentren ist das beachtlich. Überhaupt ist die Quartiersentwicklung in Götzis ein Vorzeigeprojekt zur Zentrumsgestaltung in Vorarlberg. Auf der ehemaligen Fläche von Huber Tricot sind alle Voraussetzungen erfüllt, was für eine lebendige, lebenswerte und inklusive Gemeinschaft von Bedeutung ist. Urban, umweltverträglich und generationsübergreifend. Komfortabel aufgrund kurzer Wege und fußläufigem Einkaufen im Lebensmittelmarkt und beim Bäcker. Durchmischt von Wohnen und Arbeiten, von Freizeit und Bildung, von Kultur und Gastronomie. Außerdem sehen 21 Wohneinheiten betreubares Wohnen vor. Für Senioren, die noch fit genug sind, sich großteils selbst zu organisieren, aber im Bedarfsfall auf Hilfe zurückgreifen können. „Wir sind ein Unternehmen, das in der Region sehr viel gestalten darf.“ Das gilt nicht nur für das räumliche Gestalten von Quartieren, sondern auch für das gesellschaftliche Leben.

Einer, der auf Erfahrung baut
In der See.Statt Friedrichshafen ­haben 18 Firmen aus den Bereichen Technologie und Engineering ihren Sitz. In unmittelbarer ­Nähe zur Altstadt Salzburgs, liegt das Stadtwerl, ein durchmischter inner­städtischer Arbeits-, Wohn- und Lebensraum.

Zukunftsmodell.

Das Stadtwerk Salzburg ist ebenfalls ein Leuchtturm-Projekt. Die Entwicklung eines funktionierenden Quartiers anstelle des alten Gaswerkes hätte ihnen keiner zugetraut. Der Salzburger Stadtteil Lehen galt als sozialer Brennpunkt, Betonwüste und Dauerstau-Gebiet. Erfahrung hin oder her. Ölz sah seine Chance, darin das Unmögliche möglich zu machen und ein Zentrum rund ums Lernen, Leben und Arbeiten zu realisieren. Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) mit ihren Studiengängen Humanmedizin, Pharmazie und Pflegewissenschaft bildet hunderte Studierende aus und betreibt nebenbei Forschung. Ergänzt durch innovative Unternehmen und Startups, viele ebenfalls aus dem Bereich Gesundheit und Medizin, und durch die Nähe zum Uniklinikum entsteht auch eine inhaltliche Vernetzung. Ergänzend dazu gibt es weiter Bildungseinrichtungen, wie Volkshochschule, Arbeitsgemeinschaft Salzburger Erwachsenenbildung, BiBer Bildungsberatung, Salzburger Bildungswerk und Kulturverein Società Dante Alighieri. Stadtgalerie, Fotohof, Stadtbibliothek und Literaturhaus tragen ebenso zu einem lebendigen Miteinander bei. „Durchmischte soziale Strukturen sollen in einer fruchtbaren Symbiose gelebt und gefördert werden“, erklärt Ölz. Der Chef könnte stundenlang über das Stadtentwicklungsprojekt erzählen. Überhaupt könnte Bernhard Ölz stundenlang erzählen. Das bringt seine Tätigkeit mit, das viele Unterwegssein, das Kennenlernen von interessanten Menschen, die Gespräche. „Friedrichshafen zum Beispiel“. Ölz lehnt sich zurück, verschränkt die Hände. Die Projekte See.Statt­ Friedrichshafen sowie Competence Park Friedrichshafen gehen auch auf das Konto von Prisma. Der Schwerpunkt liegt in den ­Bereichen Technologie und Engineering, Wirtschaftsdienstleistung sowie Aus- und Weiterbildung. Dazu führende Unternehmen wie MTU, ZF, Rolls-Royce Power Systems, Zeppelin Luftfahrttechnik, Liebherr oder der IT-Dienstleister doubleSlash Net-Business. Letzterer hat seinen Standort im „Competence Park Friedrichshafen“ in der Otto-Lilienthal-Straße 16 von der Prisma Unternehmensgruppe als zukünftiges Zentrum des Bodensee-Valleys. In der Zeppelinstadt gibt es außerdem ein Testfeld für automatisiertes Fahren, kurz Alfried genannt. Die 5,5 Kilometer lange Kernstrecke verläuft innerhalb der Stadt und ist an die Bundesstraße B31 angebunden.

Ziel ist die Entwicklung von zukünftigen Mobilitätskonzepten, Erprobung neuartiger Technologien oder branchenübergreifende Kooperationen zu Mobilitätsthemen. Ölz‘ Begeisterung steckt an. „Mobilität und Quartierentwicklung gehören zusammen.“ Statt ­Alfried kommt ihm immer wieder Alfredo über die Lippen. So heißt nämlich sein Kater, der ihm morgens beim Frühstück Gesellschaft leistet. Dennoch käme eine Tasse Kaffee jetzt gerade recht. Erst kürzlich erzählte ihm jemand vom Schwarmkonzept mit Individualverkehr-Komponente. „Der Clou dabei sind die Cabs“, berichtet der Mehrheitsaktionär. Sie seien für kurze Strecken ausgelegt und holen die Verkehrsteilnehmer direkt vor der Haustüre ab. „Das ganze steht auch im Kontext mit unserer Zukunftsvision“, sagt Ölz und fügt hinzu: „Unser Beitrag, den wir für die Entwicklung von Re­gionen beitragen können, ist, dass die Leute gerne dort wohnen und arbeiten.“ Dafür müssen Mosaiksteine gut und sinnvoll zusammengefügt werden. Mobilität ist so ein Mosaikstein, auch wenn das Schwarmkonzept derzeit noch Zukunftsmusik ist. „Aber wir haben es im Hinterkopf“, sagt Ölz. Seine Vision der Zukunft ist nicht mehr das Wachstum, sondern Standorte in die Tiefe weiterzuentwickeln.

Apropos Tiefe.

Was vor 30 Jahren im Keller gestartet ist, befindet sich heute im Campus V an der Hintere Achmühlerstraße 1 im fünften Stock. Der Ausblick reicht über den Bodensee hinweg nach Süddeutschland und auf der anderen Seite bis zum Säntis. Weitblick ist eines der Geheimrezepte.

Und weil gute Gespräche verbinden, gibt Bernhard Ölz noch eine kleine Intimität preis. „Im privaten Kreis mache ich gerne den DJ.“ Dann gibt er sich ganz der Musik hin, tankt neue Energie und denkt auch mit 60 Jahren noch lange nicht ans Aufhören.

Text: Marion Hofer

Fotos: Prisma, Miro Kuzmanovic, Felix Kaestle, zuparino/Niko Zuparic

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