Mehr als Worte zum Ausdruck bringen

Kultur / 26.02.2019 • 12:00 Uhr
Die Opernproduktion "Liliom" bleibt am Tiroler Landestheater länger auf dem Spielplan. Theater/Larl
Die Opernproduktion “Liliom” bleibt am Tiroler Landestheater länger auf dem Spielplan. Theater/Larl

Bejubelte Österreich-Premiere der Oper “Liliom” der Vorarlberger Komponistin Johanna Doderer.

Innsbruck, Dornbirn Um “Liliom” als Sprechtheater gewinnbringend auf die Bühne zu bringen, braucht es gute Einfälle, eine entsprechend präzise Regiehand und Schauspieler, die in der Lage sind, viel Ungesagtes zu vermitteln. Es ist bezeichnend, dass Ferenc Molnárs 1909 uraufgeführte Vorstadtlegende bei den ersten Inszenierungen kein Glück beschieden war. Praterkolorit verhalf dem längst berühmten Stück zum Durchbruch, dem Aktualisierungsversuche, wie sie heute gelegentlich unternommen werden, nicht unbedingt gut tun. Dass das Werk Komponisten reizt, ist hingegen nachvollziehbar. Für Hauptpersonen, die nur schwer zu fassen sind, hält die Musik Mittel bereit. Puccini wusste das, ihm wurde jene Aufgabe aber verwehrt, die das Staatstheater am Gärtnerplatz in München an die Vorarlberger Komponistin Johanna Doderer übertrug. Vor zweieinhalb Jahren fand dort die Uraufführung statt, Intendant Josef E. Köpplinger verfasste selbst das Libretto und führte Regie. Das Publikum feierte die Aufführungen in einer Reithalle, dem Ausweichquartier des schönen Theaterhauses, in dem die Produktion nun als Wiederaufnahme in wenigen Monaten zur Wirkung kommen soll.

Durch und durch stimmig

Mittlerweile zeichnete sich aber ein Theaterunternehmen als besonders hellhörig aus. Johannes Reitmeier, Intendant des Tiroler Landestheaters, sicherte sich schon früh die Rechte für die Österreich-Premiere der Oper und durfte nun feststellen, dass sein Publikum recht viel davon hält, dass ein Stück mit so viel Wiener Aspekten in der Genealogie einmal nicht zuerst in der Bundeshauptstadt gezeigt wird. Seiner Begeisterung für das Werk verleiht Reitmeier als Regisseur mit einer Umsetzung Ausdruck, die durch und durch stimmig ist. In den Chorszenen wird die Ambivalenz des Pratervergnügens, die Opulenz wie die Tristesse eines Rummelplatzes, bestens vermittelt, stringent ist das Bühnenbild von Thomas Dörfler, der im Hintergrund in passenden Momenten ein Karussell andeutet und als Hauptspielfläche dem Dreheffekt ein Bild verleiht. Eingeschobene Elemente unterstreichen die Fokussierung auf Einzelszenen.

 Daniel Prohaska und Judith Spießer als Liliom und Julie.
Daniel Prohaska und Judith Spießer als Liliom und Julie.

Besser geht es wohl kaum, stets hat man den Eindruck, dass sich Reitmeier nicht nur von der bekannten Handlung, sondern auch von der Musik selbst inspirieren ließ. Es ist ein Projekt geworden, in dem sich Klänge und Optik bis hin zu den Kostümen von Michael D. Zimmermann ineinander verzahnt haben. Stefan Klingele gibt dem Ideenreichtum von Johanna Doderer Raum, die als Komponistin, die das Melodiöse mit sicherer Handschrift achtet, ganz genau weiß, wie eine Handlung Schwung erfährt und bis zu welchem Grat Dynamik ohne Effekthascherei oder Eklektizismus möglich ist. Ein großes Instrumentarium ist vonnöten und auch die Chöre, denen Doderer so viel Aufmerksamkeit wie den Solostimmen schenkt, müssen auf Zack sein. In Innsbruck hat man sie im Haus und die Wiltener Sängerknaben sind längst verlässliche Partner. Die Stimmen zu verstärken, wäre an sich nicht nötig. Was bei der Uraufführung dem Raum geschuldet war, behielt man bei. Daniel Prohaska (Liliom) und Judith Spießer (Julie) sind in der Lage, die zentrale Qualität dieser Oper zu vermitteln, über den Gesang kommen Gefühle zum Ausdruck, für die es keine Worte und kein Spiel gibt. Liliom, der zwar verletzliche, aber sich nicht öffnende Grobian, der deshalb auch seine zweite Chance vertut, steht hier einer gereiften Julie gegenüber, die sich, wie es auch die Regie gut zeigt, aus Rollenmustern löst.