Brodsky Quartet stellte seine Klasse im Kulturhaus Dornbirn unter Beweis

Gelungenes und vielfältiges Klassikkonzert der Briten in Dornbirn.
Dornbirn Sie gelten zu Recht als wundersame Klangtüftler von der „Brexit“-Insel, die Mitglieder des Brodsky Quartets, das am Dienstag nach Auftritten von 2010 und 2015 mit einer Thurnher-Uraufführung erneut im gut besuchten Kulturhaus bei Dornbirn Klassik gastierte. Neben der exzellenten Qualität ihrer Darbietungen ist es die ungenierte Crossover-Taktik über alle Genre-Grenzen hinweg bis zum Rock, die diese Formation aus der Vielzahl großer Streichquartette unserer Zeit heraushebt.
In seiner vom Publikum regelmäßig gestürmten Einführung malt Robert Schneider diesmal den Teufel an die Wand, macht den Leuten in seiner überspitzten Art, wie sie Schriftstellern gerne eigen ist, richtig Angst vor einem diesmal „schroffen, schwer verständlichen“ Programm. So sehr, dass eine Dame hernach meint: „Vielleicht wären wir doch lieber zuhause geblieben …“ Die musikalische Realität ist dann allerdings halb so schlimm wie deren Ankündigung. Die „Brodskys“ nehmen die Zuhörer mit auf eine Hochschaubahn der Gefühle zwischen Gipfeln und Abgründen, natürlich mit viel Kantigem, Verstörendem und Dissonanzen, aber auch mit weiten Teilen von betörender Schönheit. Da kann sich jeder herauspicken, was ihm zusagt, und das Publikum tut das auch, ist äußerst aufmerksam und am Schluss begeistert.
Ihre unglaubliche Homogenität, die Präzision und schillernde Vielseitigkeit, in der sich die Musiker stehend mit jedem der Stücke aufs Innigste identifizieren, sind umso bemerkenswerter, als das Ensemble eben erst eine entscheidende Umbesetzung verkraften musste. In der in drei Positionen seit ihrer Gründung 1972 fast unveränderten Besetzung mit Ian Belton, zweite Violine, Paul Cassidy, Viola, und Jacqueline Thomas, Violoncello, wurde die Rolle der Primaria erst vor etwa einem halben Jahr mit Gina McCormack neu besetzt, die mit elegantem Auftreten, technischer Perfektion und einem silberhellen Ton brilliert.
Knallharte Präsenz
Vertonte menschliche Katastrophen rahmen das Programm ein. Doch selbst ein so komplexes und vielfach aufgesplittetes Werk wie das siebente unter den 15 Streichquartetten von Schostakowitsch hat man bei aller knallharten Präsenz kaum je einmal auch so klangvoll gehört. Es legt Zeugnis ab für jenen existenziellen Zwiespalt, mit dem sich der Komponist dem sowjetischen Regime scheinbar angepasst und nebenher jene Musik geschrieben hat, zu der er wirklich stand. Die zweite menschliche Katastrophe bahnt sich zum Finale in Mendelssohns dicht verwobenem Quartett f-Moll an, das aus seiner tiefen Traurigkeit über den plötzlichen Tod der geliebten Schwester Fanny in ein aufbegehrend virtuoses, rasant exekutiertes Finale mündet. Beethoven wiederum schrieb sich in seinem Quartett in derselben Tonart den Schmerz einer unerfüllten Liebe von der Seele, zwischen Trotz, Seufzermotiven und einem langsamen Satz, der in seiner Melodienfülle für die Musiker zu einer Art göttlicher Offenbarung ganz großer Streicherkultur wird.
Ein kleiner Einschub der japanischen Komponistin Karen Tanaka bezieht sich als Kompositionsauftrag von 1999 für das Brodsky-Quartett als Hommage auf Beethoven und ist trotz seiner rein tonalen Anlage ein gültiges Stück Musik im Geist unserer Zeit. Nach der Zugabe mit einem von Mendelssohns „Liedern ohne Wörter“, wie es die Geigerin McCormack ausdrückt, sind auch die letzten Zweifler überzeugt: Das war einer der spannendsten Abende der letzten Jahre bei Dornbirn Klassik! JU
Nächstes Konzert bei Dornbirn Klassik, Kulturhaus: 4. April, 19.30 Uhr – Orchestra della Svizzera italiana, Dirigent Markus Poschner (Beethoven Nr. 1 und 8)