Mit dieser “Poppea” wurde ein Schatz gehoben

Kultur / 20.05.2019 • 22:30 Uhr
 Raffaella Milanesi als Poppea und Anicio Zorzi Giustiniani als Nerone in „L‘ incoronazione di Poppea“ in der Inszenierung von Alexander Nerlich.  theater/Freese

Raffaella Milanesi als Poppea und Anicio Zorzi Giustiniani als Nerone in „L‘ incoronazione di Poppea“ in der Inszenierung von Alexander Nerlich. theater/Freese

Claudio Monteverdis “Poppea” in der Fassung von Ernst Krenek in St. Gallen mit Seneca aus Feldkirch.

St. Gallen “Pur ti miro, pur ti godo” (Dich nur sehen, dich nur genießen): Das finale Duett in Monteverdis Oper “L’incoronazione di Poppea” strahlt von einer Schönheit, die die grausame Vorgeschichte der Verbindung von Nerone und Poppea weit weg rückt. Und von diesem Strahlen, das wohl der Grund dafür ist, dass das Mitte des 17. Jahrhunderts entstandene und in verschiedenen Fassungen überlieferte Werk immer wieder – wie im Vorjahr an der Oper Zürich und bei den Salzburger Festspielen – auf die Bühnen kommt, hat auch Ernst Krenek nichts reduziert. Der Österreicher hat das Werk in den 1930er-Jahren souverän eingedampft und mit einer Instrumentierung versehen, die den Charakter dieser Liebes- bzw. Sex-and-crime-Geschichte unterstreicht. Die Frage, ob der Möglichkeit der Verzierungen in den barocken Fassungen oder ob der Krenek-Version der Vorzug zu geben ist, stellt sich nicht. Beide Werke können nebeneinander bestehen. Es ist dem Theater St. Gallen aber hoch anzurechnen, sich für diese selten gewählte “Poppea” entschieden zu haben. Das Publikum hat das zuletzt mit viel Applaus bestätigt, obwohl einige unbesetzte Stühle darauf schließen lassen, dass man in der Ostschweiz noch nicht wirklich bemerkt hat, welcher Schatz da gehoben wurde.

Und auch die Sorgfalt der Besetzung ist ein Plus dieser Produktion. Dirigentin Corinna Niemeyer lässt mit dem Sinfonieorchester gewinnbringende Tempokonsequenz hören, und in den größeren Rollen agieren alle auf sehr hohem Qualitätslevel. Das gilt neben Raffaella Milanesi (Poppea), Anicio Zorzi Giustiniani (Nerone) und Ieva Prudnikovaite (Ottavia) auch für den aus Feldkirch stammenden Martin Summer, der die Partie des Seneca mit beeindruckender stimmlicher Präsenz darbietet. Nach seinem Selbstmord ist der Weg für das Liebespaar frei. Einiges aus diesem Libretto von Busenello steht in den Geschichtsbüchern. Dass Poppea mit Kaiser Nero nicht lange glücklich war, will man nach dem innigen “Pur ti miro” gar nicht wissen. Regisseur Alexander Nerlich tut aber gut daran, den Schluss, in dem der Fokus auf dem Paar liegt, offen zu lassen. Mit Bühnenbildner Wolfgang Menardi verlegt er die Handlung in Anlehnung an die römischen Thermen in ein Schwimmbad, in dem spätere Verwüstungen des Herrschers bereits angedeutet sind. Das ist nicht schön, aber nachvollziehbar wie der Einsatz eines tanzenden Amors, der von den allegorischen Figuren der Barockfassung übriggeblieben ist und am Ende eines psychologisch fassbaren Spiels folgerichtig im Abseits steht.