Thomas Hampson berührte bei der Schubertiade

Ein Meister des Zweideutigen in Tonfall und Mimik.
Schwarzenberg Wer letztes Jahr beim Meisterkurs von Thomas Hampson und Wolfram Rieger zuhören durfte, der konnte erleben, welch profundes Wissen die Liedinterpreten jungen Musikern mitgeben können. Nun trat dieses legendäre Duo mit einem Mahler-Programm vor das Schubertiade-Publikum. Unter dem Motto „Bilder der Jugend“ kamen zuerst vier Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ zu Gehör. In dem Lied „Um schlimme Kinder artig zu machen“, in dem es um einen Reiter geht, der eine Frau in einem Haus fragt, ob die Kinder artig oder böse sind, in Wirklichkeit sich aber mit ihr verlustieren will, erwies sich Hampson als ein Meister des Zweideutigen in Tonfall und Mimik: Bei „böse Kinder“ blitzten seine Augen dämonisch auf, „böse“ sind aber natürlich die lüsternen Erwachsenen. Gebrochene Gefühle und ironische Stimmung dominierten auch in „Verlor’ne Müh“ und „Trost im Unglück“. Zum emotionalen Höhepunkt wurde die Interpretation der „Kindertotenlieder“, die eine andere Haltung des Sängers erfordern.
Der Textdichter Friedrich Rückert schrieb diese Gedichte nach dem Tod seiner beiden Kinder, Mahler komponierte sie, während seine eigenen Kinder spielten, was seine Frau Alma mit Unverständnis quittierte. Klang die Stimme zu Beginn noch ein wenig angestrengt, so verlieh Hampson dem Schmerz des Vaters überzeugende klangliche Gestalt: männlich-ernst und gefasst etwa in „Nun will die Sonn‘“, verzweifelt in „Wenn dein Mütterlein“, wo er hohle, fahle Töne einsetzte, wild in „In diesem Wetter“. Es ist eine große Kunst, diese Lieder so zu singen, dass sie nicht sentimental klingen. Die Träne im Knopfloch hat hier nichts verloren. Hampson hat den Schmerz sozusagen objektiviert und berührt das Publikum damit umso mehr. Bei Wolfram Riegers Begleitung vermisst man in keiner Sekunde die Orchesterfassung, so differenziert, farbig und eigenständig ist sein Klavierspiel. Wie er einzelne letzte Töne setzt, das allein ist eine besondere Kunst. Hampson operiert mit der Expressivität von Konsonanten, wenn er etwa „sie ruhn als wie in der Mutter Haus“ zwar mit scheinbar beruhigter, resignierter Stimme singt, aber das S von „Haus“ so lange zischen lässt, dass es doch noch wie ein letztes Aufbäumen klingt. Weitere Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ rundeten den Abend ab, erreichten aber nicht mehr die Intensität der „Kindertotenlieder“. Ulrike Längle