Aus Enttäuschung wurde Entzücken

Pianistin Danae Dörken ersetzte Aaron Pilsan beim Duoabend mit Kian Soltani.
HOHENEMS Enttäuschung machte sich am Samstag im Publikum breit, als bekannt wurde, dass das seit 2012 traditionelle und wieder längst ausverkaufte Schubertiade-„Heimspiel“ von Kian Soltani, Violoncello, und Aaron Pilsan, Klavier, wegen einer akuten Erkrankung des Pianisten nicht in der vorgesehenen Form werde stattfinden können. Doch wie schon oft in solchen Fällen, hatte auch diesmal Gerd Nachbauer einen gleichwertigen Ersatz bereit. Die deutsch-griechische Pianistin Danae Dörken erwies sich als rettender Engel des Abends.
Sie war auch deshalb die ideale Einspringerin, weil sie einen Teil des vorgesehenen Programms bereits mit einem anderen Cellisten aufgeführt und es somit „drauf“ hatte. So mussten nur zwei Stücke des ursprünglichen Angebots ersetzt werden, und der Abend war innerhalb von unglaublichen zwei Tagen gerettet. Die aus Wuppertal stammende Dörken, von Klavier-Guru Karl-Heinz Kämmerling ausgebildet, besitzt nach ihren internationalen Auftritten als Solistin und Kammermusikerin genügend Routine, um mit solchen Situationen spielend fertig zu werden. Auch Kian Soltani ist als Stipendiat der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung und unter der sicheren Obhut des Dirigenten und Pianisten Daniel Barenboim in renommierten Konzertsälen oftmals solchen Extremsituationen ausgesetzt. In einer Woche spielt er in der Wigmore Hall London, gastiert mit dem NDR-Sinfonieorchester unter Manfred Honeck in der Elbphilhamonie Hamburg und tritt am 23. August beim Festival Vaduz Classic auf.
Eingespieltes Duo
Das Schubertiade-Konzert im Markus-Sittikus-Saal geht dann ohne merkbare musikalische Einbußen über die Bühne. Die beiden 27-jährigen Künstler, die noch nie zuvor miteinander konzertiert haben, agieren wie ein eingespieltes Duo. Sie verfügen beide über solche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, dass sich von Anfang an eine wunderbare Homogenität im Zusammenspiel, ein stetes Geben und Nehmen im musikalischen Fluss und auch eine erstaunliche geistige Übereinstimmung in der Gestaltung der Werke ergibt.
Unter solchen Vorgaben werden schon die einleitenden kurzen Cello-Klavierstücke von Robert Schumann mit einem Sonatenteil und den drei berühmten volkstümlichen Fantasiestücken zum Erlebnis an gereifter jugendlicher Frische und Ausdruckskraft, bei der sich beide in unbändiger Spielfreude gegenseitig anspornen. Unvergessen bleiben die sanglich-samtenen Legatobögen, die Kian dabei seinem Cello der Gebrüder Grancino von 1680 als Leihgabe entlockt, ebenso wie die schwelgerische Melodienseligkeit, mit der die Pianistin ihren romantischen Klangteppich ausbreitet.
Chopins wenig bekannte Introduction et Polonaise brillante C-Dur ist ein etwas anbiederndes Stück Salonmusik, mit dem sich der Komponist damals den Damen der besseren Gesellschaft quasi auf den Schoß gesetzt hat. Doch die beiden Interpreten blasen allen Staub der zwei Jahrhunderte weg und gehen in einer brillant durchgestylten, lustvoll zelebrierten Version vollkommen auf. Einen deutlich kantigeren Gegensatz dazu bietet Schostakowitschs geschärfte Klangwelt in seiner extrem schwierigen Cellosonate von 1934. Da zeigt sich nun die ausgeprägte Individualität der beiden Persönlichkeiten, die sich in Stellen von berückender Schönheit, in gläsern wirkenden Klavierkaskaden und fahl verlorenen Cellotönen aneinander messen und schließlich in gemeinsamer Meisterschaft finden.
Am Schluss ist die anfängliche Enttäuschung des Publikums über die Absage von Pilsan längst dem Entzücken über eine erfrischende Klavier-Entdeckung gewichen. Und auch Einspringerin Danae Dörken ist glücklich über ihr verfrühtes Schubertiade-Debüt, das meist einen regulären Konzertauftritt nach sich zieht. Die zweite Zugabe widmen die beiden Künstler ihrem Kollegen Aaron ans Krankenbett – den berühmten „Schwan“ von Camille Saint-Saens, das Cellostück par excellence. FRITZ JURMANN