Ein glatter Punktesieg

Es sind persönliche Erfahrungen, die der Tiroler Robert Prosser packend zu Papier bringt.
Roman Von seiner Nominierung für den Deutschen Buchpreis erfuhr Robert Prosser vor zwei Jahren ausgerechnet in Bosnien, an einem der Handlungsorte seines Romans „Phantome“. Sollte ihm das heuer für „Gemma Habibi“ wieder passieren, könnte sich der 1983 in Tirol geborene Autor in Syrien, Ghana oder im Boxring befinden. Überall dort spielt sein Buch. In „Phantome“ wie auch im Vorgänger „Geister und Tattoos“ versuchte Prosser, „Reisen, Recherchieren und Erzählen in eins zu bringen“. Auch „Gemma Habibi“ speist sich aus persönlichen Erfahrungen, die er dicht und packend zu Papier bringt. Allen voran stehen seine hautnahen Beschreibungen im Boxclub. Grundlegende Erfahrungen mit dem eigenen Körper, mit der Archaik von Angst und Kampf, ergänzen sich mit Beobachtungen aus einem sozialen Laboratorium, in dem Menschen aller Klassen und Herkünfte gemeinsam trainieren. Das wäre anhand des Studenten Lorenz, der in der Trainingshalle eigentlich bloß kultur- und sozialanthropologische Studien betreiben will, der Faszination des Boxsports jedoch erliegt, an sich schon Stoff genug für einen interessanten Roman. Doch Prosser will mehr.
Er lässt Lorenz vor Ausbruch des Bürgerkriegs nach Syrien und in das im Norden des Landes liegende Kurdengebiet reisen und dort auf junge Männer treffen, die später nach Europa flüchten. Lorenz ist am Höhepunkt der Flüchtlingskrise am Wiener Hauptbahnhof, und er gelangt – einer Reportagefotografin nachreisend – nach Ghana. Wirklich ausgeknockt wird er als er am Ende mit der harten Welt des Profiboxsports in Berührung kommt. Denn dort gelten ganz eigene Regeln, die von Geld und nicht von Fairness bestimmt werden. Als Autor verfügt Prosser über richtige Grundtechniken. Im taktischen Bereich fehlt ihm etwas Erfahrung. Dennoch ein glatter Punktesieg. Und ein Versprechen für die Zukunft.
“Gemma Habibi”, Robert Prosser, Ullstein fünf, 224 Seiten.
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