„Die Sache Makropulos“: Irgendwann ist eben Schluss

Kultur / 24.09.2019 • 21:00 Uhr
Sopranistin Evelyn Herlitzius erweist sich als Idealbesetzung für die Hauptpartie dieser Oper. Opern Zürich/Monika Rittershaus
Sopranistin Evelyn Herlitzius erweist sich als Idealbesetzung für die Hauptpartie dieser Oper. Opern Zürich/Monika Rittershaus

Ewig leben? In Janáčeks vorletzter Oper geht es am Opernhaus Zürich auch um diese Frage.

ZÜRICH Der Traum von der Unsterblichkeit ist so alt wie die Menschheit. Die Einsicht in den Segen der Sterblichkeit aber wohl auch. Und man stelle sich vor, das Leben ginge immer weiter. Wirkt da der Gedanke, sterben zu dürfen, nicht geradezu erfrischend? Vom Versuch, den Tod anzunehmen und ihm gleichzeitig doch noch ein Schnippchen zu schlagen, handelt am Opernhaus Zürich die Neuinszenierung von „Die Sache Makropulos“ von Leoš Janáček durch Regisseur und Bühnenbildner Dmitri Tcherniakov. An der 1585 geborenen Hauptfigur dieser Oper ist ein lebensverlängerndes Elixier ausprobiert worden. Mit dem Resultat, dass Elina Makropulos, die in mehreren Ländern unter wechselndem Namen lebte, inzwischen das stattliche Alter von 337 Jahren erreicht hat. Aktuell gerade als Opernsängerin Emilia Marty unterwegs, sucht Elina dringend nach dem im Hause ihres einstigen Liebhabers befindlichen Rezept, der „Sache Makropulos“, die es ihr ermöglichen würde, den Wundertrank zu mischen, denn dessen Wirkung lässt jetzt nach. Aber als Elina das Papier wieder besitzt, verzichtet sie auf jede weitere lebensverlängernde Maßnahme. Tcherniakov lässt für diese Schlussszene die Wände des bisher bespielten großbürgerlich ausgestatteten Interieurs öffnen. Der Raum weitet und wandelt sich wie zu einer Arena eines TV-Senders samt Zuschauertribüne, auf der bereits Chor und Statisterie sitzen. Das ist virtuos gemacht. Aus dem Bisherigen leitet es sich aber nicht ganz schlüssig her. Vielleicht gelingt der Operndiva im Duell mit dem Tod hier ein raffinierter kleiner Sieg, indem sie das eigene Sterben zur theatralischen Attraktion umfunktioniert. Indem Elina auf der mit Sesseln möblierten Plattform vor den Augen vieler verendet, reichert sie ihr Sterben jedenfalls an mit einer den privaten Tod überwölbenden Öffentlichkeit. Aber soll es hier auch um Kritik an Einschaltquotendenken und berechnendem „Human Touch“ gehen?

Der Regisseur hat etwas vorgespurt: Während des Vorspiels sehen wir Bilder von Röntgenaufnahmen und der schriftlichen Diagnose einer unheilbaren Erkrankung. Bis zum Finale indes erzählt Tcherniakov die ganze Geschichte dann allerdings durchaus Libretto-konform; lebendig und mit überzeugender Personenführung zwar, aber ohne den Anfangsgedanken wirklich weiterzuspinnen.

Sogkräftig

Die Sängerdarsteller sind allesamt zu loben für ihren tragenden, resonanzreich-kernigen und auch immer wieder nuancenreich abgestuften ausdrucksvollen Gesang. Die dramatische Sopranistin Evelyn Herlitzius erweist sich als Idealbesetzung für die Hauptpartie. Einsame Untote, Zynikerin mit Restwärme im Herzen, Primadonna, Femme fatale: Herlitzius zeigt das irrlichternde Porträt einer Frau, die letztlich ein Rätsel bleibt – und bleiben soll. Sam Furness, Scott Hendricks, Tómas Tómasson, Kevin Conners, Spencer Lang, Deniz Uzun und Guy de Mey kreisen in verschiedenen Umlaufbahnen um dieses Geheimnis Makropulos-Herlitzius. Und immer wieder lugt durch die Ritzen des in einem Bogen durchgespielten Abends auch die kafkaeske Komödienvorlage von Janáčeks Landsmann Karel Čapek hindurch. Die Philharmonia Zürich unter Jakub Hrůša liefert für den sprachmelodisch gezeugten, von Kurzmotiven genährten Gesang einen sogkräftigen, kraftvoll herausgemeißelten und breit dahinströmenden Unterbau, mit dem der Komponist das gesungene Wort auch immer wieder kommentiert. Torbjörn Bergflödt