Auch zwischen den ­Stühlen sitzt es sich gut

Kultur / 29.05.2020 • 18:38 Uhr
Die Künstlerin spannt rosarotes Netzgewebe als „hängende Kurve“ von Tür zu Tür. AG
Die Künstlerin spannt rosarotes Netzgewebe als „hängende Kurve“ von Tür zu Tür. AG

Dornbirner Künstlerin Uta Belina Waeger macht Bildraum Bodensee zum Bild-Objekt-Raum.

BREGENZ Wer sagt denn, dass es immer nur die eine Möglichkeit, nur ein Entweder-Oder gibt? Eine, die sich immer schon ganz bewusst zwischen die Stühle gesetzt, diesen Zwischenraum mit Optionen gefüllt und positiv besetzt hat, ist die Dornbirnerin Uta Belina Waeger. Verstärkt, seit sich die Objekt- und Installationskünstlerin an der Schnittstelle von Kunst und Design mit der Erweiterung ihres Kunstbegriffs befasst. Dort setzt auch ihre Ausstellung im Bildraum Bodensee an, die, wie könnte es anders sein, „Zwischen den Stühlen“ heißt.

Das ist durchaus wörtlich und mehrdeutig gemeint, denn in der raumgreifenden Inszenierung spielen tatsächlich Sessel, Hocker und Stühle die Hauptrolle. Und natürlich der Raum oder vielmehr die besonderen Ausstellungsräume im mächtigen Postgebäude aus dem 19. Jahrhundert am See, allen voran der schlauchartige Durchgangsraum mit seinen drei Türen und dem Saalcharakter. Die Achse dieses Raumes, die in ein see- und ein stadtseitiges Zimmer führt, nimmt Uta Belina Waeger auf, um sie im nächsten Moment wieder zu durchbrechen. Dazu spannt sie rosarotes Netzgewebe als „hängende Kurve“ von Tür zu Tür und platziert darunter den Hocker „Mondrian reloaded“. Wie alle Objekte, die von der Künstlerin be- und überarbeitet, in ihrer ureigensten Methode verhäutet und neu arrangiert werden, ist der Hocker ein gebrauchtes Fundstück und führt in diesem, seinem zweiten Leben ein Zwischendasein das Fragen aufwirft: Kunstwerk oder extravagantes Möbelstück? Schau- oder Gebrauchsobjekt? Präsentation oder Repräsentation? Rund um diese, mit pikanten Details geschmückten Aspekte dient das Netz als multifunktionales Tool – es ist Podest, Abgrenzung, Wandbehang, Hintergrund, Strukturgeber, der rote Faden, der sich durch die Ausstellung zieht, und der Stoff, in dem sich die Objekte verfangen.

Rüschrock und Nachtgewand

Paare, Gegenüberstellungen, Harmonie und Spannung, Fokus auf Wand und Boden, dominieren den stadtseitigen Raum. „Prinzesseria“, ein höfisch weißer Sessel aus verhäuteten Häkeldeckchen und mit Rüschrock, trifft auf „Inthronisierung“, mächtig, massiv in dunklem Holz und Rot, während „Thonet Nachtgewand“ als Solitär, wie ein Bild, an der Wand präsentiert wird. Auch hier spielt sich Uta Belina Waeger leichtfüßig zwischen den Genres, bietet Kombinationsmöglichkeiten und ein Weiterdenken durch den Betrachter an.

Im dritten Raum, dort, wo normalerweise der Blick über den See schweift, versperrt die Künstlerin die Aussicht. Im abgedunkelten Zimmer bildet drapiertes Netz ein Rund in der quadratischen Architektur. Darauf, wie auf einer Feuerstelle, vier umgestaltete Lampen und ein geflügeltes Leucht-Objekt aus einem 50er-Jahre Blumentischchen an der Wand. Designprodukt oder Kunstwerk? Eigentlich unwichtig, wenn man erst einmal begriffen hat, dass es zwischen den Stühlen viel Platz gibt und es sich dort gut sitzen lässt.

Im dritten Raum, dort, wo der Blick über den See schweift, ist die Aussicht versperrt.
Im dritten Raum, dort, wo der Blick über den See schweift, ist die Aussicht versperrt.

Zur Person

Uta Belina Waeger

Objekt- und Installationskünstlerin

Geboren 1966 in Lustenau

Ausbildung Akademie der bildenden Künste und Universität für angewandte Kunst in Wien, Pratt Institute New York

Laufbahn seit 1992 zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, Kunst am Bau-Projekte, 1.Preis beim Kunst-Kirche-Bewerb 2003, Stipendien u.a. für Prag, Tokyo

Tätigkeiten internationale Lehraufträge, Symposiumsleiterin, Kuratorin

Wohnort Dornbirn

Die Ausstellung ist im Bildraum Bodensee in Bregenz bis 20. Juni geöffnet; Fr und Sa von 11 bis 16 Uhr; 31. Mai: 11 bis 16 Uhr, Führungen von Waeger um 11, 13 und 15 Uhr.