Er schuf kostenlose Kunst für Millionen

Kultur / 01.06.2020 • 21:25 Uhr
Reichstagsverpackung 1995 in Berlin.
Reichstagsverpackung 1995 in Berlin.

Christo, der Mann, der die Welt verpackte, ist 84-jährig gestorben.

New York, Paris Wer glaubte, dass Christo in seinem silbern verpackten Berliner Reichstag oder seinen leuchtend gelben, schwimmenden Stegen auf einem See in Italien irgendeine tiefere Bedeutung sah, der irrte. „Es ist total irrational und sinnlos“, sagte der bulgarisch-amerikanische Verpackungskünstler einmal über seine Arbeiten. Doch die Schönheit seiner in abstrakte Objekte verwandelten Gebäude und Landschaften faszinierte Millionen. Am Sonntag ist Christo im Alter von 84 Jahren in New York gestorben. Zuletzt hatte der Künstler in seinem New Yorker Studio auf die Verhüllung des Pariser Triumphbogens hingearbeitet. Es hätte sein „Höhepunkt des Jahres“ werden sollen, musste aber wegen der Coronavirus-Pandemie auf 2021 verschoben werden. Schon vor rund 60 Jahren hatte Christo die ersten Skizzen für das Projekt angefertigt.

Stets war es ein Spiel aus Form und Farbe, wenn der am 13. Juni 1935 als Christo Vladimiroff Javacheff im bulgarischen Gabrovo geborene Künstler wieder ein Stück Welt mit Kunststoffbahnen überzog. Zu den berühmtesten seiner weltweit realisierten Projekte zählten die safranfarbenen Tore im New Yorker Central Park, die schwimmenden, mit Nylongewebe bezogenen Stege auf dem Wasser des Iseo-Sees in Italien sowie der 1995 verhüllte Berliner Reichstag und der verpackte Pont Neuf in Paris. Mit seiner Frau Jeanne-Claude kämpfte Christo von ersten Plänen bis zur Realisierung eines Projekts teils mehrere Jahrzehnte. Die aus Casablanca in Marokko stammende und am selben Tag wie Christo geborene Jeanne-Claude war 2009 im Alter von 74 Jahren in New York an einer Hirnblutung gestorben.

Der Weg sei dabei das Ziel, meinte Christo: „Diese Projekte bringen uns an Orte, die so viel reicher sind als die Kunstwelt oder die Galerie oder das Museum. Wir können mit vielen verschiedenen Menschen arbeiten. Es ist ein Abenteuer und sehr aufregend und töricht.“

Flüchtig wie das Leben

Die Ehe der beiden war auch eine aus Sozialismus und Kapitalismus: Der in Bulgarien marxistisch geschulte Christo, der weder Gelder von Sponsoren noch staatliche Subventionen akzeptierte, konnte die kostenlose Kunst für Millionen erst durch den Unternehmergeist seiner Frau verwirklichen. Die Vergänglichkeit der temporären Großinstallationen erinnerte stets auch an die Flüchtigkeit des Lebens selbst. „Es ist irgendwie naiv und arrogant, zu glauben, dass dieses Ding bleibt für die Ewigkeit“, bemerkte Christo zur Zeit der Reichstagsverhüllung, aus der die Menschen kurz nach dem Mauerfall ein Fest machten.

Paris hält am Triumphbogen-Projekt fest.

Paris hält am Triumphbogen-Projekt fest.

2016 realisiert und von vielen Österreichern besucht: Floating Piers auf dem Iseo-See in Italien. AFP, Reuters
2016 realisiert und von vielen Österreichern besucht: Floating Piers auf dem Iseo-See in Italien. AFP, Reuters