Die Zeit malen

Kultur / 05.06.2020 • 18:55 Uhr
Ty Waltinger mit dem Galeristen Kurt Prantl und Leon Boch in seinem Atelier. Prantl
Ty Waltinger mit dem Galeristen Kurt Prantl und Leon Boch in seinem Atelier. Prantl

Ausstellung und Katalog des Österreichers Ty Waltinger.

VADUZ Kaum war die Ausstellung „Poet der Farbe“ des österreichischen Künstlers Ty Waltinger in der Galerie am Lindenplatz in Vaduz eröffnet, musste sie Corona-bedingt auch schon wieder geschlossen werden. Nun könnte sie bis 13. Juni wieder besucht werden, aber die nach wie vor geschlossenen Grenzen zu Liechtenstein machen einen Besuch von Vorarlberger Seite her unmöglich.

„Schade für diese außergewöhnliche Ausstellung“, sagt Kurt Prantl, Leiter der Vaduzer Galerie. „Umso glücklicher sind wir über den zur Schau erschienen Katalog mit einem Vorwort von Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder, der als Dokumentation bleibt“, so Prantl, „auch wenn das Erlebnis der Originale mit ihrer einzigartigen Aura nicht zu ersetzen ist.“

Die Schönheit der Farbe

Als Kurt Prantl, seit Jahrzehnten erfolgreich als Galerist in Vorarlberg und Liechtenstein tätig, 2016 nach dreijähriger Unterbrechung wieder als Leiter der Galerie an den Lindenplatz zurückkehrte, galt seine „Wieder-Antrittsausstellung“ Ty Waltinger. Er war den Arbeiten des 1962 geborenen Künstlers einige Zeit davor in Wien erstmals begegnet und fasziniert von der Art, wie Waltinger die Wertigkeit und Schönheit der Farbe zum Thema seiner Kunst macht und dabei über die Grenzen der Malerei im herkömmlichen Sinn hinausgeht.

Ty Waltingers Werke sind Kondensate aus Zeit, Pigment und Natur, wenn sie in langen Prozessen die Schönheit von Naturmaterialien und deren Veränderung aufzeigen. Zu jedem Gemälde gibt es eine detaillierte Entstehungsgeschichte, die Waltinger festhält und die auch nachzulesen ist. Zum dreiteiligen Werk „Edle Blau auf Gold im Regen“, dessen Untergrund im Herbst 2019 zunächst mit handgeschlagenem, reinem Gold versehen wurde, schreibt er: „Sobald getrocknet (…) wurde das Werk in beginnendem Regen mit speziell aufbereiteten Blaupigmenten bemalt. Diese Pigmentemulsionen aus alten und äußerst kostbaren Blaupigmenten, die überwiegend aus einer Zeit zwischen 1870 und 1960 stammen, flossen mit Hilfe der Naturkräfte in unzähligen Schichten über den mit Edelmetall grundierten Bilduntergrund. Über den Zeitraum mehrerer Wochen entstand unter dem Einfluss des Regens und der Kälte ein prozessuales und äußerst farbintensives Werk. Die Rezeptur des verwendeten Blau komm dem Farbton des von der Delfter Schule um Rembrandt so genannten ,Teufelsblau‘ sehr nahe.“

Faszinatin für Farbpigmente

Getrieben von der Faszination für alte, seltene Farbpigmente, die er sammelt und denen er in die entlegensten Winkel nachreist, steigern Entdeckungen wie das „verbotene Blau Rembrandts“ oder William Turners Karminrot sowie Rezepturen vergangener Jahrhunderte die Sucht des Künstlers noch mehr. Ty Waltinger selbst bezeichnet sein Tun als „naturalistischen Aktionismus“. Darin verschränken sich Naturkräfte, physikalische Gesetze, chemische Reaktionen, Materialuntersuchungen und ein klares Konzept. Die Arbeiten, deren Herstellung sich mit unzähligen Farb- und Pigmentschichten mitunter über ein ganzes Jahr hinziehen kann, entstehen im Freien, der Witterung ausgesetzt. „Ich male Zeit!“ lautet die Grundphilosophie des Künstlers, der als Alchemist unter den prozessualen Malern gilt. AG

Zur Person

Maler Ty Waltinger

Geboren 1962 in Wien

Ausbildung Höhere Grafische Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Wien, Arbeit als Bildhauer in Carrara

Laufbahn zahlreiche internationale Ausstellungen, Studienreisen, Forschungsarbeiten, Filmprojekte, Entwicklung neuer Schicht-Maltechniken und Farbtechnologien, Aufführung von Klangbildern mit Mitgliedern der Wiener Symphoniker, 2Zeit-Fresken“ im Palazzo Bembo in Venedig

Wohnort Wien