Big, bigger, Erwin Wurm

Kultur / 10.06.2020 • 20:14 Uhr
Vom Schlankheitswahn bis zur Fettsucht ist nichts vor dem skulpturalen Zugriff des Künstlers Erwin Wurm sicher. VN/PS
Vom Schlankheitswahn bis zur Fettsucht ist nichts vor dem skulpturalen Zugriff des Künstlers Erwin Wurm sicher. VN/PS

Ausstellung mit Erwin Wurms adipösem Haus und aufgeblähtem Mini im Kunstraum.

DORNBIRN. Die für den Sommer geplante Ausstellung im Kunstraum Dornbirn mit Atelier Van Lieshout wurde aufgrund der Covid19-Lage in den Herbst verschoben. Dass die Halle nicht leer bleibt, war, wie die VN berichteten, rasch klar. Nun wird eine richtig fette Sonderausstellung eröffnet.

Denn ab heute lautet das Motto „Big“. Zu sehen ist eine Auswahl von Arbeiten des Bildhauers Erwin Wurm, geboren 1954 in Bruck an der Mur, zentral das schwabbelige „Fat House“ und der davor geparkte „Fat Mini“ aus der Serie der „Fat Sculptures“. Wurm, der zweifelsohne zu den bekanntesten und erfolgreichsten österreichischen Künstlern der Gegenwart zählt, war bereits 2011 mit seinem „Narrow House“ in Dornbirn zu Gast. Das maßstabgetreu nachgebaute, samt Inneneinrichtung gestauchte Elternhaus Wurms war eine Metapher über die Beengtheit der kleinbürgerlichen Situation in seiner Jugend und erscheint wie ein historisches Gegenstück zum adipösen „Fat House“, das unter anderen Vorzeichen entstanden ist und das Zuviel unserer Gesellschaft unter sein Giebeldach packt.

Kommentierter Konsumwahn

Grundsätzlich kann bei Wurm alles zur Skulptur werden, von der Handlungsanweisung bis zum Einfamilienhaus, vom Schlankheitswahn bis zur Fettsucht ist nichts vor seinem skulpturalen Zugriff sicher. Gern bedient er sich aber aus dem Fundus des Alltäglichen, macht Gebrauchsgegenstände und Statussymbole zu ebenso humorvollen wie kritisch-sarkastischen Kommentaren unseres Konsumwahns. Erwin Wurms Werke funktionieren zunächst über den Witz, sie gehen schnell ins Blut, erschöpfen sich aber längst nicht im Unterhaltsamen. Der Erfinder der berühmten „One Minute Sculptures“, als skurrile Handlungsanweisungen und akrobatische Miniperformances, hat unseren Bezug zur Skulptur neu definiert. Als Haus im Haus im Haus funktioniert die begehbare Plastik „Fat House“ für Kunstraum-Leiter Thomas Häusle in der Montagehalle fast besser als wenn es im Freien aufgestellt wäre. Das Objekt hinterfragt im Inneren in einem Video als sprechendes Haus seine Rolle bzw. Funktion als Kunstwerk. Zerlegt in Teile wurde das Bauwerk angeliefert, wie ein klassisches Haus wieder aufgebaut und verputzt. Für den „Fat Mini“ war es dagegen eine Rückkehr an den Ort seiner Entstehung, denn der aufgedunsene kleine Flitzer ist im Atelier des Vorarlberger Bildhauers Roland Adlassnigg entstanden, der für Meister Wurm bereits einige Skulpturen realisiert hat.

Ein Colt und eine Glock

Ein anderer Sager von Erwin Wurm lautet: Humor ist eine Waffe, um dem Alltag aus einer anderen Perspektive zu begegnen. Perfekt illustriert, bissig und zynisch wird dies in den Arbeiten der Reihe „Weapons“. Unter einem Überzug aus Bronze verbergen sich tatsächlich echte Waffen, ein Colt und eine Glock. Wurm fettet aber nicht nur auf, er kann auch deformieren. Wenn es sein muss, auch mit brachialer Gewalt, wie beim deformierten Kühlschrank aus der Serie „Performative Sculptures“, der den sinnigen Titel „Butter“ trägt.

Freuen darf man sich auch auf die Aktion im Stadtraum (beim Stadtmuseum) in Kooperation mit dem Aktionstheater. Ab Juli wird mit dem „Table of Conspiracy“, eine gute Wahl in Zeiten von Verschwörungstheorien, eine „One Minute Sculpture“ Wurms reaktiviert.

Geöffnet im Kunstraum Dornbirn, Jahngasse 9, ab 11. Juni bis 16. August, 10 bis 18 Uhr. Das Kunstraum-Team steht am ersten Tag, 10 bis 12 Uhr, für Gespräche bereit.