Kein Raum zu klein, keine Kurve zu steil

Matthias Bildstein und Philippe Glatz bringen das Microdrome nach Bregenz.
Bregenz Angedockt an den Pipeline Shop, der hiesigen Skateboard- und Longboard-Freunden ein fester Begriff ist, und von dessen Inhaber zur Verfügung gestellt, gibt es mitten in Bregenz seit rund einem Jahr einen etwas anderen Ort für Ausstellungen, Lesungen, Performances und mehr. Genau dort, in diesem Offspace, wo nebenan Brettsport-Kultur zelebriert wird, befindet sich das vorarlbergerisch-schweizerische Künstlerduo Bildstein/Glatz mit seinem 2018 erstmals in Wien gezeigten tollkühnen Microdrome in seinem natürlichen Habitat.
Geschaffen wurde „DWDS – Die Wiedergeburt des Schaufensters“, wie sich die Lokalität in der Jahnstraße nennt, von Valentin Hämmerle und Jan Klammer. Die beiden studieren Bühnenbild in Wien und Berlin und setzen in ihrer Heimatstadt auf das Konzept Kreativität statt Leerstand. Als Kurator für die Sommerausstellung fungiert Leon Boch, erblich vorbelastet in Sachen Kunst- und Galeriebetrieb, der mit Matthias Bildstein, Philippe Glatz und dem Microdrome so etwas wie die Idealbesetzung für DWDS gefunden hat. Angepriesen als das erste Microdrome der Welt, handelt es sich um eine Fahrradbahn mit Steilkurve, bei der Premiere in Wien maßgeschneidert im und für den Galerieraum Georg Kargl Permanent, in die Höhe versetzt, mit einer Bar kombiniert und von einem legendären Night Race gekrönt. Nach Ende der Schau haben Bildstein/Glatz die spektakuläre Großplastik in 30 Teile filetiert, um sie wieder zur Tür hinaus zu bekommen. Frisch aufgebaut, steht das Objekt nun raumfüllend wie eine überdimensionale hölzerne, innen bemalte „Schüssel“ im Raum mit den Schaufenstern. Ins Schaffen des Duos Matthias Bildstein (geboren 1978 in Hohenems) und Philippe Glatz (geboren 1979 in St. Gallen) fügt sich das Microdrome lückenlos ein. Werke die am Limit, unter riskanten Bedingungen und höchstem Einsatz von Leib und Seele, erfahrbar sind, sind charakteristisch für den Bildhauer Bildstein (Studium bei Erwin Wurm) und den Maler Glatz (Studium bei Erwin Bohatsch), die sich einst bei einem Graffiti-Event in Bregenz kennengelernt haben. Seit 2003 agieren sie parallel zu ihrem Künstler-Solisten-Dasein als Duo Bildstein/Glatz.
Schwerelos, unsterblich
Mit einem explosiven Raketenauto, Rampen wie Halfpipes, die zum Abheben einladen oder einem waghalsigen Looping haben Bildstein/Glatz den Extremsport und die Architektur von Freizeitparks in die Kunst gebracht. Dabei geht es bei den schrägen Aktionen und dem fiktiven Moment des „Was wäre wenn …?“ nur vordergründig um Nervenkitzel und das Herausfordern imaginärer Stuntmen. Gedankenspiele werden ebenso in unendliche Umlaufbahnen befördert wie die künstlerischen und metaphysischen Vorstellungen des Duos von Schwerelosigkeit, Unsterblichkeit und Ruhm. Denn, so Bildstein/Glatz selbstironisch: „Neben den Religionen ist die Kunst heute der einzige Ort, an dem Unsterblichkeit erlangt werden kann. Das bedeutet für Skeptiker eine begrenzte Auswahl an Möglichkeiten. Also gehen wir aufs Ganze.“
Nicht befahrbar
Dass die Bowl in Bregenz, die jenseits von Perfektion den rohen Charme des Gebastelten verströmt, im Moment leider nicht befahrbar ist, dürfte aufgrund des kompakt dimensionierten Settings und des Schwierigkeitsgrades der Wall of Death (Steilwand) aber wohl nur für ein paar wenige Wagemutige relevant sein. Für die beiden Kunstkollaborateure macht die Nicht-Nutzbarkeit keinen Unterschied. Im Gegenteil: Die Herausforderung auf bildhauerischer Ebene besteht im Umgang mit dem Raum und dem Funktionieren der Schüssel als eigenständige Skulptur. AG
Die Ausstellung “Microdrome”, Jahnstraße 13 – 15, Bregenz, wird heute, Samstag, 27. Juni, von 18 bis 0 Uhr mit DJ Brickfinga eröffnet. Geöffnet bis 30. Juli