Dem Virus ein ­Schnippchen geschlagen

Kultur / 16.07.2020 • 21:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Dem Virus ein ­Schnippchen geschlagen
Aaron Pilsan und Kian Soltani präsentieren sich in Hohenems in Hochstimmung. SCHUBERTIADE

Schon das erste Schubertiade-Konzert von Kian Soltani und Aaron Pilsan wurde zum Ereignis.

HOHENEMS Wer hätte sich das noch vor zwei Monaten gedacht, als die großen Kulturbetriebe des Landes praktisch auf Null zurückgefahren wurden. Jetzt gibt es neben den Festtagen der Festspiele doch tatsächlich auch einige wenige Konzerttermine bei der Schubertiade im Markus-Sittikus-Saal. Den Auftakt einer fünfteiligen Reihe mit „Jungen Stimmen“ und Schubertliedern am Wochenende bildet am Mittwoch der Traditionstermin mit den beiden heimischen Publikumslieblingen Kian Soltani, Violoncello, und Aaron Pilsan, Klavier, die freilich beide ihrem Status als Local Heroes längst entwachsen und ins internationale Fahrwasser abgedriftet sind.

Umso größer und ungebrochen ist die Zuneigung des Schubertiade-Publikums. Gerd Nachbauer hat den längst ausverkauften Abend des Duos auf zwei Konzerte aufgeteilt, bei denen nun auch unter den geltenden Abstandsregeln alle bereits angemeldeten Besucher Platz finden. Und schon nach den ersten Tönen stellt sich bereits beim ersten Mal das berühmte Schubertiade-Feeling ein, das Publikum und Künstler so lieben und das sich diesmal in einer gebannt konzentrierten Stille Luft macht, in der auch nicht der kleinste Huster Platz findet. Die Stimmung changiert zwischen Erleichterung und Freude darüber, dass man gemeinsam dem Virus ein Schnippchen schlagen konnte und endlich wieder Livemusik erlebt.

Dass es eine Freude ist

Die beiden Künstler präsentieren sich in Hochstimmung und ebensolcher Form, in freundlichem Kontakt mit dem Publikum, von einer inneren Hochspannung und äußeren Spiellust erfüllt. Diese sind auch notwendig, um dem fordernd komplexen und in sich geschlossenen Programm dieses Abends beizukommen, zunächst mit den beiden Kalibern Igor Strawinsky und Ludwig van Beethoven. Das Jahrhundert, das sie in ihrem Schaffen voneinander trennt, wird inhaltlich verbunden durch alte musikalische Formen, die beide ihren Werken zugrunde gelegt haben. In Strawinskys süffiger „Suite Italienne“ sind das Pergolesis reizvoll melodiöse Bilder, die er mit zunehmendem Verlauf angeschärft, rhythmisch verändert und zu einem exzentrisch bravourösen Abschluss gebracht hat. Beethoven vergräbt sich 1815 in der letzten seiner fünf Cellosonaten kompromisslos in die tiefgründig schroffen harmonischen Kontraste seiner späteren Jahre und findet erst in einer exzellent durchgeführten barocken Fuge den Ausweg. Man hat den Eindruck, dass die Musiker in ihrem pointierten Spiel am zunehmenden Schwierigkeitsgrad noch wachsen. Soltani singt und attackiert auf seinem kostbaren Stradivari-Cello, dass es eine Freude ist, Pilsan trumpft perlend am Steinway auf, beide geben den Stücken aufregende Farben und bringen auch die harmonischen Besonderheiten wunderbar zur Geltung.

Von ganz anderem Zuschnitt dann die einzige Cellosonate von Dmitri Schostakowitsch, ein frühes Wunder an Einfallsreichtum, kapriziösen Dialogen und dem bereits vorhandenen Quäntchen Sarkasmus in seiner typischen Motorik, der die beiden in kompromissloser Intensität auf die Sprünge helfen. Nach dem rhythmisch und sinnlich mitreißend exekutierten „Grand Tango“ von Astor Piazzolla kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr, da hilft nur noch Schuberts melancholisches „Du bist die Ruh“ als Zugabe. Das Publikumsvotum ist einhellig: Das war wieder einer jener Abende auf höchstem Festivalniveau, wie man sie gerade diesem Duo seit seinem Debüt 2014 hier mehrfach zu danken hat. Fritz Jurmann

ORF-Sendetermin: 21. Juli, 14.05 Uhr, Ö1.Schubertiade Hohenems, 17. bis 19. Juni: „Junge Stimmen“ in fünf Konzerten