Showalarm bei der Schubertiade

Kultur / 20.07.2020 • 18:53 Uhr
Das Publikum reagierte euphorisch auf diese besondere Art der Schubert-Verehrung von „The Erlkings“. Schubertiade
Das Publikum reagierte euphorisch auf diese besondere Art der Schubert-Verehrung von „The Erlkings“. Schubertiade

„The Erlkings“ bescherten der Schubertiade eines ihrer bisher ungewöhnlichsten Konzerte.

HOHENEMS Showalarm bei der Schubertiade! Was zum Abschluss der Reihe „Junge Stimmen“ im Programm als Liederabend angekündigt war, entpuppte sich als handfestes Popkonzert. Es war eine spannende Konstellation, dass gerade die Wiener Truppe „The Erlkings“, die mit dem Liedschaffen Franz Schuberts bekanntermaßen nicht gerade zimperlich umgeht, mit diesem Programm ausgerechnet in der Hochburg des Säulenheiligen gastierte. Das Publikum reagierte nach einer halbstündigen Schrecksekunde zunehmend euphorisch auf diese besondere Art der Schubert-Verehrung und wollte die Truppe am Schluss gar nicht mehr von der Bühne lassen.

“Wir lieben Schubert!”

Schubert auf Englisch, rhythmisiert und verstärkt – „Jo derfen’s denn dös?“ hätte der alte Kaiser wohl gefragt. Natürlich, vor allem dann, wenn dessen Liedern respektvoll die Substanz und das harmonische Gerüst erhalten bleiben, wenn auch in einem aktuell adaptierten Sound. Es ist trotzdem Schuberts Musik, wie sie der vorwärtsdenkende Komponist wohl heute schreiben würde, wenn er die Entwicklung der letzten 200 Jahre mitgemacht hätte. So einfach ist diese Methode zu begründen, die die „Erlkings“ in allen Teilen vom Vorwurf freispricht, Schubert Gewalt angetan zu haben. Zudem können sie im Laufe des Abends nicht oft genug betonen, wie sehr ihnen ihr Landsmann Franzl am Herzen liegt: „Wir lieben Schubert!“

Kopf der Truppe ist der Amerikaner Bryan Benner, nicht nur ein Musik-, sondern auch ein Sprachengenie. Er moderiert fließend und fast akzentfrei in Deutsch, hat aber die Texte von Schuberts „Hits“ in einwandfreies, gepflegtes Englisch übertragen und ihnen damit neue Aufmerksamkeit verschafft. Er ist zudem ein brillanter Gitarrist, der die oft komplexen Klavierbegleitungen eins zu eins auf sein Instrument überträgt, und besitzt eine wunderschön saubere und modulationsreiche Stimme, die ihm im turbulenten Finale („Fischerweise“) sogar noch eine Parodie von Pavarottis legendären Kehlen-Trillern erlaubt. Nicht genug damit, hat er auch alle Lieder des Programms für seine vierköpfige abenteuerliche Besetzung arrangiert und mit musikalischen Gags angereichert, die von seinen urmusikalischen Bühnenkumpels brillant und mit viel Freude am Spaß umgesetzt werden. Da ist der stille Ivan Turkalj, dessen Cellotöne im nicht optimal gemischten Saalsound manches Mal untergehen, dafür dominiert oft über Gebühr die kunstvolle Tuba-Basslinie von Simon Teurezbacher, während der coole Thomas Toppler an Drumset und Vibraphon zudem noch den Clown gibt.

Gejodelte “Forelle”

Und da wird dann die „Forelle“ gemeinsam mit den Zuhörern ordentlich verjodelt, bekommt das liebliche „Heidenröslein“ ein swingendes Outfit und der „Erlkönig“ die Sporen in Form von Pferdegetrappel mittels Kastagnetten. Das ist am Anfang höchst vergnüglich, doch nach einer gewissen Zeit hat man sich an den Überraschungen sattgehört, es gibt einen Durchhänger im Programm. Dafür überrascht „Die kleine Müllerin“ mit knapp der Hälfte der 20 Lieder aus Schuberts Zyklus mit einer Reader’s-Digest-Fassung der Geschichte und vielen neuen, lyrisch berührenden Tönen. Fazit: Anstelle eines Sturms der Entrüstung puristischer Schubertianer über eine versuchte Demontage Schuberts lösen „The Erlkings“ eine Welle der Begeisterung aus. Und einen frischen Wind, der dem Programm der Schubertiade guttut. Im Mai 2021 gibt es in Hohenems ein Wiedersehen.

ORF-Sendetermin: 13. August, 19.30 Uhr, Ö1