Der Zorn des reichen Jedermann verdeckt nicht seine Gier

Kultur / 04.08.2020 • 22:16 Uhr
Gregor Bloeb als guter Gesell, Tobias Moretti als Jedermann und Caroline Peters als starke Buhlschaft im „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal in Salzburg. APA
Gregor Bloeb als guter Gesell, Tobias Moretti als Jedermann und Caroline Peters als starke Buhlschaft im „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal in Salzburg. APA

Es ist gottlob kein Jahrhundert-„Jedermann“, aber das Mysterienspiel erhält neue Aspekte.

Salzburg Wieder nichts mit dem Spiel vom Sterben des reichen Mannes vor dem Domplatz. Während die TV-Zuseher jüngst die Generalprobe zu sehen bekamen, musste nach der Premiere auch die zweite Aufführung des „Jedermann“ ins Festspielhaus verlegt werden. Sich heuer, angesichts der 1920 mit dem Mysterienspiel von Hugo von Hofmannsthal gegründeten Salzburger Festspiele, so etwas wie einen Jahrhundert-„Jedermann“ zu erwarten, wirkt sonderbar, das Werk wurde 1911 in Berlin uraufgeführt, Regisseur Max Reinhardt fand vor dem Dom einen passenden Ort. Gespielt wird das Stück auch anderswo, aber nie wird so viel Aufhebens darum gemacht wie in Salzburg.

Das fand auch Valery Tscheplanowa, die Buhlschaft des letzten Jahres, die Brecht zitierte, um zu verdeutlichen, dass Regisseur Michael Sturminger die Verteilung der Güter fokussiert, die Gier, nicht so sehr die Erlösung des Bereuenden als zentrales katholisches Glaubenselement. Das bleibt nicht nur so, es hat sich verstärkt in dieser Produktion, die mit der Komposition von Wolfgang Mitterer stark in Richtung Musiktheater tendiert und in der nun Caroline Peters als Buhlschaft auftritt. Schon ihr Erscheinen als Marilyn-Monroe-Persiflage auf einer mehrstöckigen Torte wirkt wie ein kritischer Verweis auf die Dekadenz, die sich breitmacht. Nicht, weil hier geprasst wird, sondern weil die Gier die Lebensform bestimmt. Mit viel Zorn verteidigt sie Tobias Moretti, der den Jedermann heuer zum vierten und letzten Mal spielt und damit weitere Aspekte hinzufügt, für die ihn das Publikum beim Schlussapplaus mehrmals auf die Bühne zurückholt. Dieses angebliche Recht auf Empathielosigkeit kommt auch bei Gustav Peter Wöhler zum Ausdruck, der als Dicker Vetter neu zum Ensemble stieß. Bei Gregor Bloéb (wieder der gute Gesell und Teufel) ist es da und freilich furios verzerrt.

Dem soziokulturellen Phänomen der Gier werden die Salzburger Festspiele ein Symposium widmen. Auf der Bühne ist auch die Konsequenz darzustellen. Moretti zeigt mit welcher Wucht ihn die Erkenntnis trifft und braucht sich deshalb auch gelegentlich nicht um den Text zu scheren, der auch Caroline Peters nicht so viel Pragmatismus ermöglicht, wie sie sich einfach nimmt. Bei beiden wirkt es stark.

Weitere Aufführungen bis 26. August auf dem Domplatz oder im Festspielhaus Salzburg. Symposium zur Aktualität des Stücks am 6., 11. und 19. August.