Banales “Alles wieder gut” phänomenal hinterfragt

Kultur / 17.08.2020 • 10:30 Uhr
Banales "Alles wieder gut" phänomenal hinterfragt
Das Videoprojekt von Jonas Dahlberg unterstrich die Vergänglichkeitsthematik von Franui und Florian Boesch.  BF/ANJA KÖHLER

Der Abend von Franui und Florian Boesch wurde in Bregenz um einen Aspekt erweitert.

Bregenz „Alles wieder gut“ lautete das Motto des ersten Konzertes der Bregenzer Festtage, die nach der Pandemie-bedingten Absage des großen Festspielprogrammes nun zumindest eine gute Woche lang spüren lassen, dass es am Bregenzer Bodenseeufer im Sommer der Kunst gilt. Dass das Motto, dem Festspiel-Intendantin Elisabeth Sobotka, wie sie einmal im Gespräch mit den VN ausführte, ohnehin eine Fragezeichen anhängen würde, ein Anachronismus ist, unterstrich Bariton Florian Boesch noch einmal deutlich mit der letzten Zugabe seines Auftritts mit der österreichischen Musicbanda Franui. „Nur wer die Sehnsucht kennt/Weiß was ich leide . . .“, die berühmte Goethe-Vertonung durch Beethoven, kann gar nicht so gegen den Strich gesungen werden, dass die Melancholie nicht zutage tritt.

Franui mit Florian Boesch. <span class="copyright">BF/Anja Köhler</span>
Franui mit Florian Boesch. BF/Anja Köhler

Bei Franui und Boesch ist trotzdem vieles anders, und so durfte man den Saal dann nicht nur beglückt verlassen, sondern auch mit der Frage, ob sich der Verlust, der da besungen wird, nun auf die Geliebte bezieht oder auf die lange Durststrecke, die die Künstler seit dem Lockdown mit dem Verbot sämtlicher Auftritte auszuhalten hatten und auf der sie sich zum Teil immer noch befinden.

Denkwürdiger Start

Es ist jedenfalls ein denkwürdiger Start ihrer Festtage, die Elisabeth Sobotka da konzipiert hat. Beim Blick auf das leicht irritierte, zurückhaltende, dann aber jubelnde Publikum im Festspielhaus, in dem die Abstandsauflagen wie das Maskentragen strikt eingehalten wurden, war man sich bald sicher: besser hätte es gar nicht laufen können. Schubert-, Brahms-, Schumann- und vor allem Mahler-Verehrer mögen vielleicht nicht ganz einverstanden sein mit dem, was Franui mit den berühmtesten Liederzyklen der Literatur macht, die in Vorarlberg auch darum einen besonderen Stellenwert haben, weil hier mit der Schubertiade ein weltweit renommiertes Lieder- und Kammermusikfestival ausgetragen wird. Wer mit Franui noch nicht so vertraut ist, obwohl das Ensemble bereits seit Jahren die Klassikszene aufmischt, der stellte aber vermutlich schon beim zweiten Stück des Abends, dem “Heidenröslein”, fest, dass die Frage nach dem Sinn der Adaptierung von Werken aus dem klassisch-romantischen Repertoire obsolet ist.

Ohne Wenn und Aber

Ausschlaggebend ist die Qualität, die bei allen für diese Stücke neuen Hackbrett-, Akkordeon- oder Saxophon-Klängen außer Frage steht. Was den österreichischen Bariton Florian Boesch in diesem Programm auszeichnet, ist der enorme Registerumfang der Stimme, der ebenso zum Einsatz kommt wie die Flexibilität und eine stimmliche Kompetenz, die kleinere Improvisationen zulässt. Ändert sich nun das Gefühlsspektrum, das Mahler etwa mit “Wenn mein Schatz Hochzeit macht”, Schubert mit “Du bist die Ruh'” oder Schumann mit “Es fiel ein Reif” zum Ausdruck brachten? Ja, und im Grunde auch ohne Wenn und Aber. Die Traurigkeit, die sich durch die ausgewählten Stücke zieht, darf durch die Adaptierungen, die im Übrigen bis zu Klezmer-Klängen führen und mit großer Tempovielfalt beeindrucken, da und dort farblich angereichert werden. Das geschieht mit so viel Bedacht, dass man gar nicht genug bekommen kann von Franui. Den Eindruck verstärkt Jonas Dahlberg mit einem Video, in dem ein Schwarz-Weiß-Bild eines Zimmers nach und nach verschwindet, bis eine leere Projektionswand bleibt und Platz für die durch Musik geschürte Fantasie jedes einzelnen Zuhörers bietet.

Die Festtage der Bregenzer Festspiele dauern noch bis 22. August und werden mit dem Auftritt der Wiener Symphoniker unter Philippe Jordan beendet.